Junckers letzter Tag

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Der Lotse geht von Bord: Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker gibt die Führung der Eurogruppe auf. Sein designierter Nachfolger kommt aus den Niederlanden und heißt Jeroen Dijsselbloem.

Nach acht Jahren an der Spitze der Eurogruppe verabschiedet sich Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker (58) aus Brüssel. Kaum ein anderer Repräsentant Europas und seiner Gemeinschaftswährung hat sich den inoffiziellen Titel „Mister Euro“ so verdient wie er.

Der gelernte Jurist will sich mehr um sein Amt als Premierminister Luxemburgs kümmern und im kommenden Jahr erneut für die Christsozialen kandidieren. Die 2008 vom Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers ausgelöste Finanz- und Euroschuldenkrise hinterließ auch bei ihm Spuren. „Ich war gefesselt von den Finanzmärkten“, bekannte er unlängst vor Europaabgeordneten. „Wenn Sie als Präsident der Eurogruppe sprechen, hören Sie auf, ein freier Mann zu sein.“

Hohe Erwartungen

Auf dem designierten Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem (46) lasten hohe Erwartungen der Europartner. Der Niederländer müsse die klassische „Hartwährungspolitik“ seines Heimatlandes fortführen, forderte die österreichische Ressortchefin Maria Fekter am Montag in Brüssel. Irlands Ressortchef Michael Noonan mahnte an, die Interessen kleiner Mitgliedsländer zu vertreten. Mehrere Minister machten auch deutlich, dass es Entscheidungen über eine Milliardenhilfe an das pleitebedrohte Zypern voraussichtlich erst im März geben kann.

Die obersten Kassenhüter der 17 Euro-Länder wollten am Abend den Nachfolger für den Luxemburger Jean-Claude Juncker (58) bestimmen, der nach acht Jahren auf eigenen Wunsch hin den Posten räumt. Der Sozialdemokrat Dijsselbloem war der einzige Kandidat.

Europäische Bühne

Dass man vom dienstältesten Regierungschef der EU – seit 18 Jahren ist Juncker Premierminister, seit 30 Jahren gehört er der luxemburgischen Regierung an – auf der europäischen Bühne auch in Zukunft hören wird, darf als sicher gelten. „Ich bin nicht der Meinung, dass man (EU-) Kommissionspräsident oder Ratspräsident sein muss, um sich für Europa fördernd und fordernd einbringen zu können“, sagt Juncker. „Europäische Politik wird zuerst in den Hauptstädten gemacht.“

Als Sohn eines in der christlichen Gewerkschaftsbewegung aktiven und von den Nazis zwangsrekrutierten Bergbaupolizisten ist Europa für Juncker nicht nur eine Verstandes-, sondern auch eine Herzenssache. Er sieht Europa als Friedensprojekt: „Als Haus, in dem es keinen Krieg mehr gibt – und in dem man zusammensteht, weil wir immer weniger werden.“

Juncker ist bekannt als ein Mann des offenen Wortes. Nach Abschluss des Gipfeltreffens im Dezember scheute er sich nicht, die dürftigen Ergebnisse zu kritisieren. Die gewonnene Zeit („Eurogruppe heißt vier Stunden intensive Arbeit am Tag“) will er nicht nur für die Politik nutzen. Er hofft darauf, wieder mehr Bücher lesen zu können. Und manchmal – „aber immer weniger“ – spielt er nach eigener Auskunft auch am Flipperautomaten.