/ Juncker wagt einen neuen Vorstoß

(Carolyn Kaster)
Ein sozialeres Europa – das Ziel setzte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon bei seinem Amtsantritt 2014. Ziel sei ein „Social Triple A“ – ein Spitzenrating wie bei der Kreditwürdigkeit. Jetzt will Juncker liefern. An diesem Mittwoch stellt die Kommission eine Art Sozialcharta vor – die sogenannte Europäische Säule sozialer Rechte. Es ist ein sperriger Begriff, aber das Bild kann man sich vorstellen: die Säule soll ein Europa stützen, das in Schieflage ist.
Was steckt hinter dem Vorstoß?
Schon 2014 zeigte sich Juncker erschreckt vom Aufstieg von Rechtspopulisten wie der Französin Marine Le Pen und des Briten Nigel Farage, die im Europaparlament Sitze eroberten. Damals wie heute durchfurchten die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise den Kontinent. Noch immer ist die Arbeitslosigkeit in Griechenland viel zu hoch. Aber die Krise hat Klüfte nur vertieft. Seit den großen Erweiterungsrunden ist die EU ein Bund der Ungleichen. In Dänemark verdient man im Schnitt je Stunde zehn Mal so viel wie in Bulgarien. Und nun auch noch die Unsicherheit über die Globalisierung. Millionen Europäer fürchten, dass Roboter übermorgen ihre Arbeit erledigen. Die Sehnsucht nach Sicherheit ist enorm groß.
Was schlägt die EU-Kommission vor?
Die Brüsseler Behörde hat ein dickes Paket geschnürt, und einiges davon wurde schon vorab bekannt. Kernstück ist eine Erklärung, die das Europaparlament und die Mitgliedsstaaten unterstützen sollen. In drei Kapiteln und 20 Punkten werden darin soziale Rechte der Europäer festgehalten: Bildung, Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Unterstützung bei der Arbeitssuche, Schutz vor prekären Bedingungen, faire Löhne, schriftliche Arbeitsverträge, Mitbestimmung, ein „Mindesteinkommen, das die Würde“ bewahrt, Zugang zu Pflege und etliches mehr. Einige dieser Punkte sollen mit konkreten Gesetzen ausgestaltet werden. Einen Entwurf hat die Kommission mit im Paket: die bessere Vereinbarkeit von Job und Familie mit einem Recht auf Teilzeitarbeit für Eltern samt Rückkehr in eine volle Stelle. So sollen Mütter und Väter in ganz Europa künftig ein Anrecht auf jeweils mindestens vier Monate Elternzeit und ein Recht auf Teilzeit und Rückkehr auf eine volle Stelle bekommen.
Was bringt das den Europäern?
Erstmal wenig Konkretes. So heißt es in Erläuterungen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen: „Angesichts der juristischen Natur der Säule sind diese Prinzipien und Rechte nicht direkt einklagbar.“ Vielmehr sei es Sache der Mitgliedsstaaten, sie auszugestalten. Die Brüsseler Behörde will wohl vor allem Aufbruchstimmung erzeugen und die Mitgliedstaaten drängen, sich zu den gemeinsamen Prinzipien zu bekennen – vor allem die Länder der Eurozone. „Die Europäische Säule der Sozialen Rechte ist Teil der Bemühungen, einen neuen Angleichungsprozess in der Wirtschafts- und Währungsunion zu starten“, schreibt die Kommission.
Und was sagen Sozialpolitiker?
Vielen gehen die Pläne nicht weit genug. Sie kritisieren unter anderem, dass Juncker mit großen Versprechungen gestartet sei und jetzt lediglich mit 20 Grundsätzen komme, die man eh schon habe. Man habe einen europäischen Arbeitsmarkt, da müsse man auch gemeinsame Mindeststandards hinbekommen. Das Parlament habe Vorschläge gemacht, aber die Kommission füge sich vorauseilend dem Protest einzelner Mitgliedsstaaten.
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