„Ich hatte immer Angst“, so der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker über seine persönlichen Erfahrungen als Mann an der Spitze der Eurogruppe. In einem Interview mit dem deutschen Debatten-Magazin „The European“, das am 20. Juni erscheint, spricht Juncker nicht nur über die Europapolitik oder das deutsch-französische Tandem, sondern verrät auch seine strikte Schlafdisziplin und die Ängste, die ihn tagsüber heimsuchen.
Nicht immer konnte Juncker mit dem Druck der Krise leben, so musste er „erst lernen, mit dem Wissen um potentiell riskante Entscheidungen zu leben“, womit er sich durchaus „schwer tat“. “Ich hatte immer Angst, nicht umsichtig genug vorgegangen zu sein, nicht alles im Blick gehabt zu haben. Angst, weil die Dinge so kompliziert sind. Angst, etwas völlig falsch verstanden zu haben. Angst, jemanden am Telefon falsch zu verstehen, falsche Schlussfolgerungen zu ziehen und diese auch noch zu verbreiten.” Wach liege er deshalb aber nachts nicht. Aus einfachem Grund: „Ohne Schlaf geht es nicht, ich muss ja funktionieren.“ Deshalb verordnete sich der damalige Eurogruppenchef stets „eine strikte Schlafdisziplin“.
Zukunftssorgen
Besorgt zeigt sich der Premier auch, wenn es um die Zukunft Europas geht. Das Wiederaufkommen alter Ressentiments im Zuge der Euro-Krise zeige, „dass Europa ein sehr fragiles Projekt ist und bleibt.“ Mit Blick auf die immer komplexere Krisenpolitik diagnostiziert Juncker ein Kernproblem der EU: „Die Menschen fragen sich, was wir machen und wir können nicht mehr antworten.“
Mit Blick auf die global sinkende Bedeutung Europas, verteidigt Juncker im „The European“-Interview die Notwendigkeit europäischer Integration und fordert eine neue Begründung des europäischen Projekts. So ist die Währungsunion für Juncker ein unverzichtbarer Bestandteil dieser europäische Zukunft: „Der Euro ist das einzige, was uns Kraft verleiht – eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik haben wir ja nicht. Der Kraftprotz Europa leidet unter Muskelschwund.“
Deutsch-französisches Tandem
Für den Luxemburger Premier bilden Deutschland und Frankreich immer noch ein wichtiges Tandem innerhalb der EU. Dennoch mahnt er vor einem auf Berlin und Paris verengten Blickwinkel. Europa „kein Sandkasten, in dem nur Franzosen und Deutsche mit ihren Schäufelchen unterwegs sind“. Man müsse den Blick im Besonderen auch auf EU-Länder wie Luxemburg oder Estland richten. Deren Sparpolitik sei „wesentlich fixierter“, was sich auch im derzeitigen Schuldenstand spiegle. Sparwille und Schuldenabbau sind nach Juncker keine „reine deutsche Strategie“.
In der Kritik steht im Interview auch die deutsche Europapolitik: „Ich bin mit vielen Orientierungen der deutschen Europapolitik nicht einverstanden, und das weiß Angela Merkel auch.“ Juncker betont, gelegentlich mehr Berührungspunkte mit der Opposition zu haben: „Manchmal habe ich mehr Gemeinsamkeiten mit Frank-Walter Steinmeier als seinem Amtsnachfolger Guido Westwelle.“
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