/ Juncker für No-Spy-Abkommen

Für Jean-Claude Juncker hat die jüngste Rede von US-Präsident Barack Obama zur NSA-Affäre „Anlass zur Hoffnung“ gegeben.
Im Interview der deutschen Nachrichtenagentur dpa fordert der Luxemburger Politiker allerdings mehr als mündliche Zusagen. Juncker, der lange Jahre Chef der Euro-Gruppe war, dementiert zudem Medienberichte, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hätte etwas gegen seine Ambitionen, nach der Europawahl im Mai neuer Präsident der Europäischen Kommission und damit Nachfolger von José Manuel Barroso zu werden.
In der norddeutschen Stadt Kiel haben Sie am Montagabend den Hermann-Ehlers-Preis der gleichnamigen Stiftung bekommen, den bereits Altkanzler Helmut Kohl erhielt, aber Kanzlerin Angela Merkel noch nicht…
Jean-Claude Juncker: „So lese ich die Preisgeschichte nicht! Frau Merkel würde ihn ohne Zweifel zu Recht erhalten, und Helmut Kohl hat ihn zu Recht erhalten. Dass ich hier ein Nachfolger von Kohl bin, erfüllt mich mit Stolz.“
Haben Sie mit Merkel schon über Ihre Kandidatur für die Präsidentschaft der Kommission gesprochen?
„Ich habe regelmäßig mit Frau Merkel Kontakt – auch Ende vergangenen und Anfang diesen Jahres. Und ich kann die Pressemeldungen, nach denen Frau Merkel einer Kandidatur meinerseits nicht freundlich gegenüber stünde, nicht bestätigen.“
Wie bewerten Sie das Verhältnis zwischen den USA und Europa angesichts der NSA-Abhöraffäre?
„Ich glaube, die Rede von Präsident Obama gibt Anlass zur Hoffnung. Sie bringt zum Ausdruck, dass in Washington verstanden wurde, dass wir irritiert waren durch das Abhören der Bürger und auch der politischen Führung anderer Staaten.“
Welche Konsequenzen sind notwendig?
„Ich glaube, dass die europäischen und amerikanischen Geheimdienste sich auf einen Kodex verständigen müssen dergestalt, dass keine einzige operative Maßnahme geheimdienstlicher Natur gegen Verbündete ergriffen wird. Und die Ankündigung, dass europäische Regierungschefs nicht abgehört werden, halte ich für eine bare Selbstverständlichkeit. Ich hätte mir gewünscht, dass es dieser Erklärung nicht bedurft hätte. Mir wäre es lieb, wenn die Amerikaner den Europäern mehr zuhören und mehr nach Europa hineinhören würden als abzuhören.“
Sollte ein Abkommen bilateral oder zwischen den USA und der EU geschlossen werden?
„Unabhängig von ihrer juristischen Natur müssen solche Abkommen für alle EU-Mitgliedsstaaten Geltung haben. Ob man dies bilateral macht, oder im direkten Kontakt der USA mit der EU, ist eine nachrangige Frage. Es muss nur wasserdicht sein.“
Wissen Sie, ob Sie in Ihrer Zeit als Euro-Gruppenchef abgehört worden sind?
„Ich habe in meinen Gesprächen mit amerikanischen Präsidenten, mit amerikanischen Finanzministern und amerikanischen Notenbankchefs öfters bemerkt, dass ich sie mit Überraschungen konfrontierte. Insofern denke ich, dass nicht alles, was in Europa beredet wurde, zuvor in Washington abgehört wurde.“
Sehen Sie das Verhältnis zwischen den USA und Europa jetzt auf einem besseren Weg, oder ist der Westen gespalten?
„Ich halte es für absolut notwendig, dass das transatlantische Verhältnis auf gegenseitigem Vertrauen fußt. Insofern war diese Affäre nicht hilfreich. Ich will aber nicht die Schlussfolgerung ableiten, wir sollten jetzt unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten grundsätzlich überprüfen. Europäer und Amerikaner sind fundamental darauf angewiesen, in guten Einvernehmen zu leben und zu wirken.“
Sehen Sie im Hintergrund ein Ringen in Washington und Brüssel um die Leitwährung der Welt?
„Der Euro hat nicht den Anspruch, eine exklusive, weltweit führende Währung zu werden. Die Europäische Zentralbank hat zum Beispiel kein Wechselkursziel und klebt strikt an ihrem Mandat.“
Gibt es noch die Wertegemeinschaft Europas mit den USA?
„Es hat mit dem NSA-Skandal erhebliche atmosphärische Störungen gegeben. Ich glaube aber nicht, dass sie etwas am transatlantischen Wertekanon verändert haben. Wir müssen aber immer wieder auf die gemeinsamen Werte pochen. Dazu gehört eben auch der Schutz der Bürger. Wir dürfen das europäische Selbstverständnis nicht auf dem transatlantischen Altar opfern.“
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