Japans Premier unter Druck

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(dpa)

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Er war einst Japans beliebtester Politiker und galt als Verfechter von Bürgerinteressen. Doch nun wird Ministerpräsident Naoto Kan mangelndes Katastrophenmanagement vorgeworfen.

Naoto Kan sieht erschöpft aus. Die geschwollenen Augen und das zerfurchte Gesicht zeugen von den Strapazen der vergangenen fünf Wochen. Die Katastrophe hat Japans Regierungschef sichtlich mitgenommen. Er muss nicht nur die Folgen eines gewaltigen Erdbebens und Jahrhundert-Tsunamis managen, sondern dazu auch noch eine der schlimmsten Atomkatastrophen, die die Welt je gesehen hat. Doch danken tut ihm das niemand.

Lehren ziehen
Die 72 Staaten, die Kernkraft nutzen, wollen aus dem Unfall im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Lehren ziehen. Das geht aus dem Abschlussbericht der fünften Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über nukleare Sicherheit hervor, der am Donnerstag in Wien veröffentlicht wurde.

„Nukleare Sicherheit kennt keine Grenzen, es ist ein Thema von öffentlichem Interesse“, sagte der Leiter der Konferenz Li Ganjie, Chinas höchster Verantwortlicher für nukleare Sicherheit am Donnerstag vor Journalisten.

Das zehntägige Treffen in Wien war lange geplant. Der Unfall in Fukushima rückte jedoch Fragen nach einer stabilen Bauweise von Kernkraftwerken, die Erdbeben und Tsunamis standhalten, sowie die Informationspolitik nach einem Unfall in den Vordergrund.
dpa

Im Gegenteil, nichts als Ablehnung kriegt der einst beliebte Politiker für seinen Einsatz zu spüren. Seit Beginn der Krise hatten sich seine Widersacher mit lauter Kritik zurückgehalten, doch damit ist nun Schluss. Erstmals werden jetzt wieder Rufe nach seinem Rücktritt laut: Es sei für Kan an der Zeit, abzudanken, meinte der Chef der größten Oppositionspartei LDP.

Keine Führungskraft

Dem 64 Jahre alten Ministerpräsidenten wird von allen Seiten vorgeworfen, er zeige in der Krise keine Führungskraft. „Er verhält sich absolut unverantwortlich, obwohl er der Führer der Nation ist“, wettert der bekannte politische Analytiker Minoru Morita. So habe Kan die tatsächliche Gefahr des Atomunfalls vor dem Volk verheimlicht.

Erst am Dienstag hob die Regierung die Strahlengefahr von Stufe 5 auf die höchste Stufe 7 – und damit auf das gleiche Niveau wie Tschernobyl im Jahr 1986. Regierungssprecher Yukio Edano räumte laut japanischen Medien daraufhin ein, er sei sich über die mögliche Heraufstufung der Gefahrenlage bereits Ende März bewusst gewesen, doch habe es für eine Entscheidung zunächst keine ausreichenden Informationen gegeben.

Komische Bemerkung

Noch größere Empörung handelte sich der Premier kurz darauf mit einer Bemerkung ein, die er gar nicht gemacht haben will. Die Evakuierungszone rund um das zerstörte Kernkraftwerk Fukushima könne für die nächsten 20 Jahre unbewohnbar bleiben, soll er laut seinem Sonderberater Kenichi Matsumoto gesagt haben. Beide dementierten dies zwar später. Doch der Schaden war angerichtet.

Unmöglich sei so eine Äußerung, wetterte der Bürgermeister der Stadt Kawamata, Michio Furukawa. Er war am Donnerstag in Tokio mit dem Premier zusammengetroffen, um Genaueres über die in seiner Stadt geplante Teilevakuierung zu erfahren. „Wir fragen uns, inwieweit der Regierungschef überhaupt die Sorgen der Menschen vor Ort versteht.“

Innerparteilicher Widersacher

Sein schärfster innerparteilicher Widersacher, der einflussreiche Polit-Veteran Ichiro Ozawa, den Kan wegen einer Parteispendenaffäre aus der Parteiführung gedrängt hat, fuhr jetzt schwere Geschütze auf. Kans Mangel an Führungskraft könne „zu weiteren Katastrophen führen“.