Jahrelanger Berufungsprozess droht

Jahrelanger Berufungsprozess droht
(Jane Flavell Collins)

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Per tödlicher Injektion soll der Attentäter vom Boston-Marathon exekutiert werden. Doch er wehrt sich dagegen. Es droht ein jahrelanges Berufungsverfahren.

Der Bombenleger vom Boston-Marathon soll für den Terroranschlag mit drei Toten und 260 Verletzten mit einer Giftspritze hingerichtet werden. Zu diesem Entschluss kamen die zwölf Geschworenen nach dem drei Monate langen Prozess gegen den 21 Jahre alten Dschochar Zarnajew. Sofern die Verteidigung wie von Beobachtern erwartet Berufung einlegt, könnte sich der Rechtsstreit um das Schicksal des Attentäters jedoch noch mehrere Jahre hinziehen.

Zarnajew hatte im April 2013 mit seinem älteren Bruder Tamerlan zwei Sprengsätze am Zieleinlauf des Marathons gezündet. Es war der schwerste Anschlag in den USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Auf die Doppel-Explosion folgte eine tagelange Verfolgungsjagd mit der Polizei, bei der sowohl ein Polizist als auch Tamerlan Zarnajew in einem Schusswechsel getötet wurden.

„Anständig verhalten“

Die sechs der 30 Anklagepunkte, die Zarnajew die Todesstrafe einbrachten, bezogen sich alle auf die zweite der beiden Schnellkochtopf-Bomben, die er am Zieleinlauf des Marathons gelegt hatte. Mit Blick auf die Explosion der ersten Bombe, die sein Bruder Tamerlan gelegt hatte, sowie für die Tötung des Polizisten Sean Collier entschieden sich die Juroren gegen die Todesstrafe.

Von Zarnajew selbst war Berichten aus dem Gerichtssaal zufolge keine Regung zu vernehmen. Richter George O’Toole dankte dessen Verteidigern und sagte mit Blick auf das Verfahren: „Herr Zarnajew hat sich anständig verhalten.“ Die Geschworenen hatten sich über drei Tage insgesamt rund 14 Stunden beraten. Für das Todesurteil mussten sie sich lediglich in einem von 17 Anklagepunkten gegen Zarnajew einig sein, auf denen die Todesstrafe steht.

Gemischte Reaktionen

Die US-Regierung bezeichnete das Strafmaß als angemessen. Die höchste Strafe sei angesichts des schrecklichen Verbrechens von Dschochar Zarnajew passend, teilte Justizministerin Loretta Lynch mit. Zarnajew habe den Terroranschlag kalt und gefühllos verübt. Er müsse seine Tat nun mit dem Leben bezahlen, sagte Staatsanwältin Carmen Ortiz und lobte den fairen Prozess: „Selbst die Schlimmsten der Schlimmsten verdienen einen fairen Prozess und ein rechtsstaatliches Verfahren.“

Die Opfer, Hinterbliebenen und nach dem Anschlag vom April 2013 beteiligten Einsatzkräfte regierten gemischt. „Er hat sein eigenes Recht auf Leben verwirkt“, schrieb die Überlebende Sydney Corcoran auf Twitter. „Gerechtigkeit. In seinen eigenen Worten: ‚Auge um Auge‘.“ Corcoran wurde bei dem Anschlag schwer verwundet, ihr Mutter verlor beide Beine. Die Eltern des achtjährigen Jungen, der bei dem Anschlag starb, hatten aus Angst vor dem jahrelangen Prozess dagegen öffentlich darauf gedrängt, von der Todesstrafe abzusehen.

„Niemand feiert“

Sowohl Massachusetts‘ Gouverneur Charlie Baker als auch Bostons Bürgermeister Martin Walsh sagten, dass die Entscheidung den Opfern hoffentlich die Chance gebe, mit dem Fall abzuschließen. „Niemand feiert hier“, sagte Feuerwehrmann Michael Ward, der zu den ersten Helfern nach den Explosionen zählte. Doch die Gerechtigkeit im Fall Zarnajew habe gesiegt. „Er wird zur Hölle fahren, denn dort wollte er hin. Aber er wird dort schneller ankommen als er dachte.“

Der Bundesstaat Massachusetts hatte die Todesstrafe in den frühen 1980-er Jahren abgeschafft. Die bisher letzte Hinrichtung fand 1947 statt. Zarnajew muss sich jedoch nicht in einem staatlichen, sondern in einem Bundesverfahren verantworten, und das Bundesrecht erlaubt generell die Todesstrafe – also auch in Massachusetts.