Italien am Scheideweg

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Berlusconi mischt wieder mit und macht Italiens Wahlen spannend. Ein Mitte-Links-Bündnis liegt nach den Umfragen zwar leicht vorn. Völlig offen ist aber, wie es in dem Land nach Monti weitergeht.

Italien steht am Scheideweg. Mitten in einer tiefen Rezession mit schmerzhaft hoher Jugendarbeitslosigkeit und massiver Verschuldung wählt die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ein neues Parlament. Wer kann das Sorgenkind Italien retten, wer ganz rasch Wirtschaftswachstum und Beschäftigung aus dem Hut zaubern? Und wieder ist auch der umstrittene Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi als Schlagmann im Rennen, auch wenn er versichert, nicht wieder Ministerpräsident werden zu wollen. Nach einem Wahlkampf ohne durchschlagende Visionen und ohne mitreißende Kandidaten scheint völlig offen, wer das Land künftig regieren wird – und ob es nach den Parlamentswahlen vom 24./25. Februar überhaupt regiert werden kann.

Italien ist gebeutelt von einer rigiden Sparpolitik des Übergangspremiers Mario Monti und stöhnt unter einer gewaltigen Steuerlast nicht zuletzt für Unternehmen. Vor 15 Monaten war der EU-Kommissar und Wirtschaftsprofessor aus dem italienischen Norden angetreten, um als „Retter Italiens“ das Land zu reformieren und aus der Schusslinie der misstrauischen Finanzmärkte zu nehmen. Gespart hat Monti ordentlich, die Gürtel mussten immer enger geschnallt werden. Wachstumsspritzen blieben aus, viele Firmen machten dicht. Der «Patient Italien» ist also noch lange nicht über den Berg, erträgt die Medizin des Professors auch nur unwillig. Monti war nicht gewählt, sondern von Staatschef Giorgio Napolitano ernannt worden.

Rückkehr des Cavaliere

Von der Parteienlandschaft und vom Wahlrecht her schon immer schwer durchschaubar und verwirrend, hat die dramatische Entwicklung im Sog der Euro-Krise die Lage noch weniger berechenbar gemacht. In die Parlamentswahlen ziehen drei Bündnisse und eine Bewegung, wobei kaum eine Front darauf zählen kann, als alleiniger Sieger die nächste Regierung zu stellen. Lange Zeit lag das Mitte-Links-Bündnis um den Chef der Demokratischen Partei PD, Pier Luigi Bersani (61), so klar in allen Umfragen vorn, dass man sich allerbeste Chancen erträumen konnte, erstmals seit Romano Prodi wieder in den Regierungspalazzo Chigi in Rom einzuziehen. Doch da hatte die Linke, die sich mühsam zusammengerauft und überzeugende Vorwahlen organisiert hatte, die Rechnung ohne Berlusconi gemacht – die ewige Rückkehr des Cavaliere.

„Rettet Europa, wählt nicht Berlusconi“, sorgt für Stabilität statt Unsicherheit, so ließen sich entsetzte Reaktionen aus dem Ausland zur Offensive des Mailänder Medienzars und Milliardärs auf einen Nenner bringen. Seine Aufholjagd mit anti-deutschen Parolen und Stimmungsmache gegen den Euro soll sein konservatives Lager retten und die populistische Internet-Protestbewegung „Fünf Sterne“ des Komikers Beppe Grillo in die Schranken weisen. Als Umfragen noch veröffentlicht werden durften, zeigte sich, dass Berlusconis Bündnis um die PdL-Partei (Volk der Freiheit) bis auf ein paar Prozentpunkte an die führende Linke herangekommen war. Auf dem dritten Platz folgte mit immerhin etwa 16 bis 18 Prozent Grillos Anti-Politik-Bewegung.

Und Mario Monti? Im Dezember war er nach einem Jahr der Reformen zurückgetreten, nachdem Berlusconi ihm im Parlament die Zustimmung entzogen hatte. Dann ließ sich der leise Wirtschaftsprofessor in die Niederungen eines Parteienwahlkampfes jeder gegen jeden herab. Will man der Stimmung im Land und Umfragen trauen, dümpelt Montis Bündnis der Mitte bei nur etwa 15 Prozent hinter den drei großen anderen.

Europakurs

Monti droht somit zwischen den beiden traditionellen Lagern zerrieben zu werden, will aber nicht nur Wirtschaftsminister unter Bersani sein. Er hätte doch das Wahlergebnis erst abwarten können, denn vielleicht hätte man ihn dann rufen müssen. So hatte es sich auch der Staatschef vorgestellt, der Monti stützt: Napolitano will wohl auch, dass Berlusconi mit seinen gewagten Steuerversprechen außen vor bleibt – und Italien auf einem Reform- und Europa-Kurs.

Nun muss der italienische Wähler aber zunächst einmal die recht unübersichtliche politische Gemengelage per Stimmzettel klären. Nach allen Seiten loten die Protagonisten seit Wochen schon denkbare kleinere oder auch große Koalitionen aus. Während die Finanzmärkte bereits wieder nervös die mögliche Rückkehr des Cavaliere bewerten und attraktive Reformstrategien nicht gerade Hochkonjunktur haben, sehen manche ein anderes politisches Gespenst am Horizont. Denn ob das Land seinen Reformweg weitergeht oder in den alten Schlendrian zurückfällt, das ist das eine. Ob eine Regierung jedoch überhaupt eingesetzt werden kann und für wie lange, das ist die andere Frage.