Israel nimmt Abschied von Scharon

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(dpa)

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Israel trauert um seinen früheren Regierungschef Ariel Scharon. Politiker in aller Welt würdigen den alten Kämpfer als Patrioten. Aber wie schon zu Lebzeiten gab es auch harsche Kritik.

Israel nimmt Abschied von Ariel Scharon. Der Sarg des verstorbenen früheren Ministerpräsidenten wurde am Sonntag vor der Knesset, dem Parlament in Jerusalem aufgebahrt. Tausende Menschen erwiesen Scharon die letzte Ehre. Staatspräsident Schimon Peres legte einen Trauerkranz vor dem Sarg seines alten Weggefährten nieder, der in eine weiß-blaue israelische Flagge mit Davidstern gehüllt war. Israels Regierung hielt eine Schweigeminute ab.

Das israelische Volk werde Scharon „für immer als einen der wichtigsten Anführer und mutigsten Kommandeure im Herzen behalten“, sagte Regierungschef Benjamin Netanjahu. Scharon war am Samstag nach langer Krankheit im Alter von 85 Jahren gestorben. Der frühere Militär und Politiker hatte nach einem Schlaganfall acht Jahre im Koma gelegen. An diesem Montag ist eine offizielle Trauerfeier im Parlament vorgesehen, anschließend wird Scharon mit militärischen Ehren auf seiner Schaffarm in der Negev-Wüste neben seiner Frau Lily beigesetzt.

Verdienste von Scharon gewürdigt

Die USA sollen bei den Trauerfeierlichkeiten von Vize-Präsident Joe Biden und Deutschland von Außenminister Frank-Walter Steinmeier vertreten werden. Auch der Nahost-Gesandte Tony Blair und der russische Parlamentspräsident Sergej Naryschkin werden erwartet.

Politiker in aller Welt würdigten Scharons Verdienste um Israel als Militär und Politiker. US-Präsident Barack Obama bezeichnete Scharon als einen, der Israel sein Leben gewidmet habe. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel würdigte ihn als Patrioten mit großen Verdiensten für sein Land, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte Scharin einen „Held seines Volkes“.

„Ein schweres Erbe“

Aber es gab auch Kritik. „Er hat viele unglückliche und falsche Entscheidungen getroffen und unserem Land ein schweres Erbe hinterlassen“, sagte Schimon Stein, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, der „Huffington Post“. Er prangerte vor allem dessen Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten an. Diese habe tiefe Spuren hinterlassen, die bis heute nachwirkten: „Die Siedlungsbauten sind Scharons Makel und Israels großes Hindernis auf dem Weg zu einem Friedensvertrag.“

Verbittert äußerten sich Palästinenser. Auf Scharon warte nun Gottes Strafe, sagte das führende Fatah-Mitglied Dschamal Muhessen: „Er wird für seine Verbrechen bestraft werden, vor allem für Sabra und Schatila.“ Während des Libanon-Krieges hatten mit Israel verbündete libanesische Milizen 1982 Hunderte Palästinenser in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila ermordet.

Der Sprecher der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen, Salah al-Bardawil, sagte: „Wir beten zu Allah, dass Scharon und all die zionistischen Führer, die Massaker gegen unser Volk verübt haben, zur Hölle gehen.“ Im Gazastreifen und im Libanon feierten Palästinenser seinen Tod.

Scharon hatte nach einer dramatischen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seit Tagen mit dem Tode gerungen. Die engsten Familienangehörigen harrten an seinem Krankenbett in einem Krankenhaus bei Tel Aviv aus. «Mein lieber Freund, Ariel Scharon, hat heute seinen letzten Kampf verloren», erklärte Präsident Peres.

Scharon galt als Querkopf, der oft allein entschied. Dies trug ihm den Beinamen «Bulldozer» ein. Von 2001 an war er Regierungschef. Den Palästinenseraufstand, den er im Jahr 2000 durch seinen Besuch des Muslimen und Juden heiligen Tempelberges in Jerusalem mit ausgelöst hattem ließ er als Regierungschef niederschlagen. Dann ordnete er den Bau der Sperranlage zum Westjordanland an.

2005 setzte Scharon, der 1998 die Siedler noch aufgerufen hatte, so viele Siedlungen wie möglich zu bauen, den einseitigen Rückzug aus dem Gazastreifen durch – gegen massiven Widerstand im eigenen Land und ohne Friedensabkommen mit den Palästinensern. Die Folgen wirken bis heute nach.