Islamisten rekrutieren auf Facebook

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Das Internet wird mehr und mehr von smartphonegerechten Plattformen wie Facebook oder Twitter bei der Suche nach Islamisten abgelöst. In Indonesien hat dies zu einem Ermittlungserfolg geführt.

Der indonesische Islamist Sefa Riano macht aus seiner Gesinnung keinen Hehl. Seine Facebookseite ist übersät mit Fotos von bärtigen Männern in Flecktarnuniformen und mit Schusswaffen, und über all dem prangen Spruchbänder, die dem „Heiligen Krieg“ huldigen. In der vorerst letzten Statusänderung seiner Seite entschuldigt er sich bei seinen Eltern und verabschiedet sich von ihnen: „So Gott will, werde ich an der Botschaft von Burma aktiv werden, und ich hoffe, ihr werdet meinen Kampf verstehen“. Ein paar Tage nach der Nachricht an seine Eltern wurde er in Indonesiens Hauptstadt Jakarta festgenommen.

Laut Polizeiangaben transportierte Riano, der sich bei Facebook „Mambo Wahab“ nennt, bei seiner Festnahme zusammen mit einem anderen Mann auf einem Motorrad einen Rucksack mit fünf zusammengebundenen Rohrbomben. Jetzt sitzt der 29-Jährige in Untersuchungshaft und muss sich wegen eines geplanten Anschlags auf die Botschaft von Burma verantworten. Mit dem Angriff auf die Auslandsvertretung wolte er wohl gegen die Unterdrückung von Muslimen in dem mehrheitlich buddhistischen Staat aufbegehren.

Ein an der Ermittlung beteiligter Kriminalpolizist, der seinen Namen nicht verraten will, sagt, dass Riano an seiner Festnahme im Grunde selbst schuld sei, weil er seine Pläne auf Facebook veröffentlichte. Er erzählt aber auch, dass Riano offenbar überhaupt erst über das soziale Netzwerk im Internet radikalisiert wurde. Soziale Netzwerke spielen offenbar eine immer größere Rolle bei den Rekrutierungsbemühungen von Terroristen im einwohnerstärksten muslimischen Land der Welt. Rund ein Viertel der 240 Millionen Indonesier sind bei Facebook registriert.

Bombenbau erklärt auf Facebook

Auch wenn Facebook die Seiten mit Aufrufen zu terroristischen Aktivitäten sperrt, tauchen immer wieder neue Seiten mit Tausenden von Lesern auf. Mohammed Taufiqurrohman vom Zentrum für Radikalismusforschung, das eng mit den indonesischen Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet, schätzt die Zahl von Militanten, die über Facebook in seinem Land angeworben worden wurden, auf 50 bis 100 allein in den vergangenen zwei Jahren. Seinen Angaben zufolge gibt es mindestens 18 radikale Facebook-Gruppen, eine davon hat immerhin 7000 Mitglieder. Polizeisprecher sagen, dass sowohl theoretische und theologische Debatten auf den Seiten stattfinden. Und auch praktische Tipps zum Bombenbau werden dort eingestellt.

William McCants, ehemaliger Mitarbeiter im US-Außenministerium und Experte für die Verbreitung des islamischen Extremismus im Internet sagt, in vielen Ländern würde erst jetzt verstanden, dass sich die Debatten und Informationskanäle vom klassischen Internet längst in die sozialen Netze verschoben hätten. In Indonesien wird dies durch billige Tarife für Smartphones unfreiwillig unterstützt. „Auf Facebook und Twitter kann man die Leute erreichen, die radikale Gedanken gut finden, aber sich noch nicht zum bewaffneten Kampf entschieden haben“, sagt McCants.

Terroristen nutzen das Internet seit Jahren, aber meist anonym. Die junge Generation der Smartphone-Nutzer geht mit den eigenen Daten offenbar noch lässiger um: So hatte der verhaftete Riano zuletzt 900 Facebook-Freunde. Die Polizei bekam den Tipp mit „Mambo Wahabs“ Anschlagsplänen von anderen Facebook-Nutzern.

Beweise im Internet nicht gerichtsfest

Nachdem Rianos IP-Adresse ermittelt war und mit einem Smartphone in Verbindung gebracht werden konnte, war der Rest moderne Detektivarbeit. Das Telefon wurde abgehört, lokalisiert und sein Besitzer beim Transport der Rohrbomben festgenommen. Das Corpus Delicti konnte bei der Festnahme sichergestellt werden. Die Aufrufe zum Terror bei Facebook hätten nach indonesischem Recht dafür nicht gereicht.

Beweise aus dem Internet sind nach aktueller Strafprozessordnung gegen Terroristen nicht gerichtsfest und können bei Prozessen nicht verwendet werden. Surya Putra, der als Kriminologe den Einsatz des Internets durch Terroristen untersucht, kritisiert: „Es gibt derzeit kein Gesetz, das nachhaltig die Verbreitung von Hasspredigten verbietet“. Zwar sei die Polizei auf der Suche nach potenziellen Terroristen täglich im Internet unterwegs, die größten Ermittlungserfolge gebe es jedoch noch immer nach konkreten Tipps wie im Fall Riano.

Seit dem Anschlag auf Bali im Jahr 2002 mit 202 Toten – die meisten davon australische Touristen – gelten die indonesischen Behörden als Hardliner bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors. Seitdem ist es den Islamisten nicht gelungen, einen weiteren grossen Schlag auszuführen, allerdings gab es einige kleinere Attacken gegen Polizeistationen und Regierungsstellen.

„Ein dämlicher Weg“

Das Internet und seine sozialen Netzwerke sind auch bei weitem nicht die einzigen Rekrutierungswege des islamistischen Terrors. Sidney Jones, die für die International Crisis Group in Jakarta forscht, schätzt, dass die meisten Kandidaten immer noch in Gebetszirkeln von Angesicht zu Angesicht überzeugt werden. Rianos Facebookseite hält sie für einen „echt dämlichen“ Weg, um frische Aktivisten zu rekrutieren. Über Facebook könne nie die nötige Privatsphäre hergestellt werden.

Dagegen sagt Ansyaad Mbai, Chef der höchsten Antiterrorbehörde in Indonesien, dass Facebook zu einem „zielführenden Werkzeug der Massenradikalisierung“ geworden sei. „Radikale Predigten und die Seiten des Heiligen Kriegs sind oft nur einen Mausklick voneinander getrennt.“