/ Wer hat Anne Frank verraten?

Der Fall der berühmten jüdischen Tagebuchschreiberin Anne Frank (15) bewegt zurzeit die Gemüter in mehreren Ländern – aber aus unterschiedlichen Gründen. Ein internationales Ermittlerteam geht in den Niederlanden der Frage nach: Wer hat Anne Frank und ihre Familie damals verraten? Und in Deutschland herrscht Empörung wegen eines Zuges, der ihren Namen tragen soll. Doch von vorn.
Am 4. August 1944 entdeckte die Gestapo die Jüdin Anne Frank und sieben weitere Personen in ihrem Amsterdamer Versteck in der Prinsengracht 263. Der Vater Otto Frank überlebte als Einziger der im Hinterhaus eines Firmengebäudes versteckten Juden. Doch wer die Gruppe verraten hat oder wie die Polizei sonst auf das Versteck gestoßen ist, ist bis heute ein Rätsel.
Ehemaliger FBI-Agent und 9/11-Ermittler
Jetzt rollt ein Expertenteam um den pensionierten FBI-Agenten Vince Pankoke den Fall neu auf. Mithilfe moderner forensischer und kriminalistischer Methoden hoffe man, Licht ins Dunkel zu bringen, so der 59-Jährige. Pankoke jagte früher kolumbianische Drogenhändler und analysierte die Handy-Kommunikation der 9/11-Attentäter.
„Wir gehen neuen Hinweisen nach“, sagt Pankoke der „New York Times“. Die Ermittler hoffen, mit einem Aufruf auf ihrer Website „Cold Case Diary“ neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Schwarmintelligenz und 3-D-Modelle
Daneben bedienen sich die Ermittler der Schwarmintelligenz des Internets und rekonstruieren alte Zeugenaussagen. Mithilfe eines 3-D-Computer-Modells des Verstecks von Anne Frank untersuchen die Experten zudem, bis auf welche Entfernung Geräusche aus dem Haus gehört werden könnten. Das Team erhofft sich etwa, Passagen des Tagesbuches von Anne Frank neu deuten zu können.
Ein Beispiel: Frank beschreibt, wie sie kurz vor ihrer Entdeckung ein Klopfen an der Wand hört. Wollte den Untergetauchten da jemand signalisieren, dass sie zu laut sind? Oder sie in eine Falle locken? Als der Fall 1948 und dann nochmals 1963 von der niederländischen Polizei untersucht wurde, lagen die heutigen kriminaltechnischen Möglichkeiten noch in weiter Ferne.
Vor allem aber durchkämmen die Experten digitale Archive mit Millionen von Seiten eingescannten Materials, darunter aus dem Nationalarchiv in Washington und Archiven in den Niederlanden, Deutschland und Israel.
Erste Fortschritte
Lange stand der Lagervorarbeiter Wilhelm van Maaren im Fokus der Ermittlungen, doch mittlerweile sind neue Namen und Theorien aufgetaucht. Einige Experten sind sogar der Ansicht, dass es vielleicht gar keinen Verräter gab, sondern die Polizei das Versteck der Frank-Familie per Zufall entdeckte.
Ermittlungsergebnisse will das 20-köpfige Expertenteam am 4. August 2019 präsentieren – am 75. Jahrestag der Razzia im Frank-Gebäude. Die Kosten der Nachforschungen werden sich im sechsstelligen Bereich bewegen, deshalb wirbt das Team auf seiner Website um Spenden. Erste Fortschritte habe man schon erzielt, berichtet FBI-Veteran Pankoke: Ein früherer Nachbar des Hinterhauses habe sich gemeldet und den Namen eines Nazi-Kollaborateurs genannt.
Deutschland: Diskussionen um „Anne Frank“-Zug
Für Schlagzeilen sorgt Anne Frank derzeit auch in Deutschland. Die Deutsche Bahn will einen ICE nach der 15-Jährigen benennen und handelt sich damit den Vorwurf der Geschmacklosigkeit ein.
Schließlich habe ihre Vorgängerin, die Deutsche Reichsbahn, während der NS-Zeit Millionen Juden in die Konzentrationslager transportiert, so das Argument. Anne Frank war im KZ Bergen-Belsen ums Leben gekommen. Die Deutsche Bahn beteuerte nach einem Shitstorm in den sozialen Medien, sie habe nicht beabsichtigt, Anne Franks Andenken zu beschädigen.
Zur Namensauswahl für #ICE4: Es ist in keiner Weise beabsichtigt, das Andenken Anne Franks zu beschädigen https://t.co/TeHKO61Bn6
— Deutsche Bahn AG (@DB_Presse) 30. Oktober 2017
Sorry. Das ist absurd! Dann dürfte man Straßen nicht nach Opfern benennen wegen Autobahnen?! Einfach mal nachdenken.
— axel wallrabenstein (@walli5) 30. Oktober 2017
Auf einen Zug „Anne Frank“ draufzuschreiben, ist die Definition von oberflächlicher Auseinandersetzung mit Geschichte.
— Jan Böhmermann ?? (@janboehm) 30. Oktober 2017
mlr
- Yves Wengler, langjähriger SIGI-Präsident, kündigt Rücktritt an - 22. März 2023.
- Unruhiger Dienstag: CGDIS meldet fünf Unfälle mit sechs Verletzten - 22. März 2023.
- Zwei Raubüberfälle nahe Park Monterey: Eines der Opfer muss ins Krankenhaus - 21. März 2023.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos