Im Corona-SchattenViel Desinfektion, wenig Après-Ski: Österreich ringt um kommende Wintersaison

Im Corona-Schatten / Viel Desinfektion, wenig Après-Ski: Österreich ringt um kommende Wintersaison
Ischgl von oben: Der Skiort fürchtet neben einer zweiten Coronawelle auch eine zweite Welle internationaler Negativschlagzeilen Foto: AFP/Johann Groder

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Österreichs Tourismuswirtschaft ringt um strenge Restriktionen zur Rettung der kommenden Wintersaison. Angesichts divergierender Interessen drohen faule Kompromisse mit fatalen Folgen für die ganze Branche.

Über der bevorstehenden Saison schwebt das Damoklesschwert namens Ischgl. Im Tiroler Ballermann der Alpen hatte man den Beginn der Pandemie verschlafen beziehungsweise mit Blick auf den laufenden Skibetrieb ignoriert und so zur Streuung des Covid-19-Virus über ganz Europa beigetragen. Dem mehr als 1.000 Kläger vertretenden Wiener Verbraucherschutzverein (VSV) wurden bislang 30 Todesfälle als Folge einer in Tirol eingefangenen Infektion gemeldet.

Die Hoffnung der österreichischen Touristiker auf eine wieder normale Wintersaison 2020/21 hat sich längst zerschlagen. Hatte der letzte Winter bis Ende Februar noch ein Nächtigungsplus von sieben Prozent gebracht, so wird für die kommende Skisaison schon ein dickes Minus einkalkuliert. Denn unter den Bedingungen der „neuen Normalität“ ist ein touristischer Vollgaswinter undenkbar. Es geht nur noch um das Ausmaß der Beschränkungen und vor allem, welche Sparten der Branche davon wie stark betroffen sein sollen.

An regionalen Konzepten wird schon eifrig gebastelt, wobei ein Gesamtkonzept angesichts vieler kaum unter einen Hut zu bringender Interessen nicht in Sicht ist. Fix ist aber, dass die Urlauber auf Schritt und Tritt mit Corona konfrontiert sein werden. Das Virus für ein, zwei Wochen einfach ausblenden wird es nicht spielen.

Schutzmasken werden an allen neuralgischen Punkten Pflicht sein. Ischgl wird seinen Gästen empfehlen, schon mit einem negativen Corona-Testergebnis, das nicht älter als 72 Stunden ist, anzureisen. Wer das nicht kann oder will, dem steht eine „Gäste-Screening-Station“ für Tests zur Verfügung. Auch die Mitarbeiter in den Tourismusbetrieben sollen vor und regelmäßig während der Saison getestet werden. Sogar das Abwasser wird in den Kläranlagen auf Spuren des Virus untersucht werden. Seilbahnkabinen, Skibusse, Skidepots, WC-Anlagen, Aufzugskabinen und Geschäfte sollen täglich mit Kaltvernebelungsgeräten desinfiziert werden.

Andere Verwendungspriorität für Alkohol

Apropos Desinfektion: Alkohol ist heuer eine andere Verwendungspriorität zugedacht. Es soll weniger dessen berauschende und enthemmende als vielmehr desinfizierende Wirkung im Mittelpunkt stehen. Womit das heikle Thema Après-Ski auf dem Tapet wäre. Nicht allen, aber vielen Urlaubern geht es ja im Winterurlaub weniger ums Skifahren als um die feuchtfröhliche Gaudi in Skihütten und Nachtlokalen. Manche sollen sogar nur deswegen kommen. Die werden entweder nicht kommen oder enttäuscht sein. Denn sogar der mächtige Tourismuslobbyist Franz Hörl spricht sich dafür aus, „heuer das gewohnte Après-Ski- und Partyleben verantwortungsvoll zu reduzieren“.

Der Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes hatte im Februar überregionale Berühmtheit erlangt, weil er den Stopp des Skibetriebes mit dem Argument hinausgezögert hatte, dass „zwei Drittel des Landes in keiner Weise vom Coronavirus berührt“ seien. Als Hotelier und Sprecher der Seilbahnwirtschaft vertritt Hörl freilich nicht die Interessen der Après-Ski-Bars, die sich gegen Überlegungen wehren, die Sperrstunde auf 18 oder gar 17 Uhr zu legen. Das wäre für Sauftempel wie das Ischgler „Kitzloch“ ruinös, weil dort erst nach Mitternacht die Post so richtig abgeht und die Kassen umso lauter klingeln, je später die Stunde.

Auch in Salzburg befürwortet die Seilbahnwirtschaft Après-Ski-Beschränkungen, weil man die Leute fürs eigene Geschäft auf den Liften und in den Gondeln, nicht aber unbedingt in den Bars braucht. Weniger gut finden die Seilbahner dagegen Überlegungen zur Begrenzung der Besucherzahlen. Der Sprecher der Salzburger Hoteliersvereinigung etwa regt an, die Zahl der Liftkarten für Tagesskifahrer zu begrenzen. Vorrang also für jene, die im Hotel übernachten und nicht nur für einen Tag zum Skifahren anreisen. Eine solche Beschränkung träfe die Hoteliers überhaupt nicht, sehr wohl aber die Liftbetreiber, die sich daher dagegen wehren.

Ein Minister träumt von Europa

Weil Einigkeit schwer zu erzielen ist, drängt der sonst sehr auf seine regionale Hoheit bedachte Tiroler Landeshauptmann Günther Platter auf eine bundeseinheitliche Regelung. „So wie das im letzten Winter der Fall war, wird es nicht mehr gehen“, meint Platter etwa mit Blick auf das Thema Après-Ski. Wer wie lange offen halten darf, soll österreichweit einheitlich geregelt werden. Die Herausforderung bleibt freilich eine große: So ist es zum Beispiel rechtlich kaum möglich, Après-Ski-Bars sperrstundenmäßig anders zu behandeln als Hotelbars.

Während Einigkeit noch nicht einmal auf nationaler Ebene in Sicht ist, träumt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) schon von einer europäischen Lösung. Er strebt überregionale Standards für den zentraleuropäischen Wintersport mit Italien, Frankreich und der Schweiz an, um drohenden Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen.

Die Nachtgastronomie werde es auf jeden Fall länger nicht geben, ist der Minister überzeugt. Was unter dem Begriff Nacht zu verstehen ist, wird noch für intensive Diskussionen sorgen. Dass es weniger Party geben wird, ist aber auch den Ischglern klar: Die alljährliche Ski-Opening-Party mit internationalen Stars und Promiauftrieb zum Saisonbeginn wurde schon einmal abgesagt. „Die Gesundheit hat oberste Priorität“, sagt Bürgermeister Werner Kurz. Denn Ischgl fürchtet neben einer zweiten Coronawelle auch eine zweite Welle internationaler Negativschlagzeilen.