Studie zeigt: Ausgrenzung und Politikverdrossenheit in Deutschland haben sich verfestigt

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Den Satz „Es gibt wertvolles und unwertes Leben“ werden die allermeisten Menschen ablehnen. Zehn Prozent aber taten es in der jüngsten „Mitte-Studie“ der Friedrich- Ebert-Stiftung nicht. Und elf Prozent stimmten auch der Aussage zu: „Die Weißen sind zurecht führend in der Welt.“

Von unserem Korrespondent Werner Kolhoff

Die alle zwei Jahre von der Universität Bielefeld durchgeführte Befragung unter 1890 Bundesbürgern ergab wieder erschreckende Befunde – aber auch einige ermutigende. Hier die wichtigsten Ergebnisse. Der krasse Rechtsextremismus bleibt ein Randphänomen. Nur durchschnittlich 2,4 Prozent der Befragten bejahten eindeutig Fragen, die in diese Richtung gingen. Etwa, dass Deutschland wieder einen Führer brauche. Dieses Niveau hat sich seit längerem kaum verändert, auch unterscheiden sich die Meinungen von Ost- und Westbürgern hier nicht großartig. Diktatur- und Naziverherrlichung sind gründlich out.
Mehrheit lehnt krassen

Bei einzelnen Fragen gab es aber zum Teil auch weit höhere Zustimmungsraten. So meinten 7,6 Prozent der Bürger, die Deutschen seien anderen Völkern „von Natur aus überlegen“. Während bei allen anderen Parteien nur rund ein Prozent der Anhänger rechtsextreme Einstellungen teilten, waren es bei der AfD fünf Prozent. Überraschender Befund: Rechtsextreme Einstellungen sind unter Gewerkschaftsmitgliedern verbreiteter als unter Nichtmitgliedern. Der Rechtspopulismus findet viele Ansatzpunkte. Dazu gehört vor allem die Haltung zu Minderheiten. So hat die Ablehnung von Asylbewerbern trotz sinkender Flüchtlingszahlen noch einmal zugenommen.

Mehrheit lehnt krassen Rechtsextremismus ab

54 Prozent stimmten negativen Aussagen über sie zu. Vor zwei Jahren, kurz nach der großen Flüchtlingswelle, waren es nur 49 Prozent. Gegen Sinti und Roma hatten in der jüngsten Befragung 26 Prozent der Befragten grundsätzlich etwas, 19 Prozent lehnten Muslime ab (im Osten sogar 26 Prozent). Auf der anderen Seite wächst ein neues, rechtes und nationales Bewusstsein. So stimmten 52 Prozent der Aussage zu, jedes Volk besitze eine „unveränderliche Identität“. Sexismus, Vorurteile gegen Obdachlose und gegen Behinderte haben hingegen abgenommen. Insgesamt rechnen die Autoren der Studie 21 Prozent der Bevölkerung dem Rechtspopulismus zu. Auch diese Quote ist seit 2014 unverändert. Allerdings: Im Osten sind es 30 Prozent. Und unter den AfD-Anhängern sogar 75 Prozent.

In der Mitte der Gesellschaft bröckelt der Rückhalt der Demokratie. Das ist der vielleicht besorgniserregendste Befund. Dabei geht es noch nicht um eine klare Ablehnung dieser Staatsform, die 86 Prozent für unerlässlich halten. Aber die Zweifel an ihr wachsen. Teilweise sind die Antworten auch widersprüchlich. So fanden 90 Prozent, dass Streit in der Sache zur Demokratie gehöre und gut sei. Gleichzeitig sagten aber 43 Prozent, die Parteien zerredeten nur alles und lösten die Probleme nicht. Und fast ein Drittel der Befragten meinte, die Demokratie führe nur zu faulen Kompromissen.

Außerdem haben Verschwörungstheorien stark zugenommen. Fast die Hälfte der Bürger glaubte laut den Daten, dass geheime Organisationen Einfluss auf politische Entscheidungen hätten. Ein Drittel sah Politiker nur als Marionetten geheimer Mächte und jeder Vierte fand, Politik und Medien steckten unter einer Decke. Besonders problematisch: Je höher die Zustimmung zu solchen Thesen war, desto stärker war auch die Bereitschaft der Befragten, politische Probleme gegebenenfalls mit Gewalt zu lösen.

Weitere Daten der Studie unter www.fes.de/mitte-studie