Neue UntersuchungSchäden am „Estonia“-Wrack größer als bislang bekannt

Neue Untersuchung / Schäden am „Estonia“-Wrack größer als bislang bekannt
Beim Tauchgang entstand auch das erste zusammengesetzte Bild des Hecks der MS Estonia, das mit einem ferngesteuerten Fahrzeug aufgenommen wurde Foto: AFP/ Stefan Jerrevang

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Es war die schlimmste Schiffskatastrophe in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch warum sank die „Estonia“? Noch immer sind nicht alle Fragen gelöst.

Bei Untersuchungen am Wrack der 1994 untergegangenen Ostsee-Fähre „Estonia“ sind größere Schäden entdeckt worden. Das Loch an der Steuerbordseite sei mindestens 40 statt der bisher angenommenen 22 Meter lang, teilte der Leiter der Havariekommission, Rene Arikas, am Mittwoch in Tallinn mit. Der Schaden sei so groß, dass ein kleiner Unterwasserroboter bis auf das Autodeck habe vordringen können. „Wir werden diesen Schaden höchstwahrscheinlich im Laufe weiterer Studien erneut vermessen“, sagte Arikas der Agentur BNS zufolge bei einer Pressekonferenz zu einer Vorstudie am Schiffswrack.

Bei den Untersuchungen im Mai und Juni sei es gelungen, bis zu 15 Meter weit auf das Autodeck vorzudringen. Dabei habe der Roboter Bilder von Autoteilen, Plastiktüten, Kabeln und Seilen aufgenommen. Insgesamt könnte das Innere des Autodecks bis zu einer Tiefe von 45 Meter erkundet werden. Dafür müsse aber eine andere Technologie eingesetzt werden, sagte Arikas.

Im nächsten Schritt soll mit Hilfe der photogrammetrischen Daten ein Modell der gesunkenen Fähre und des Meeresbodens erstellt werden: Es seien mehr als 40.000 Bilder vom Wrack gemacht worden, sagte Arikas. Auf deren Grundlage soll im Herbst ein digitaler Zwilling der „Estonia“ entstehen, sagte Arikas. Bis dahin sollten auch die Ergebnisse der akustischen Vermessung vorliegen.

Nur 137 überlebten

Der Untergang der „Estonia“ gilt als die schwerste Schiffskatastrophe in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Fähre war in der Nacht zum 28. September 1994 mit 989 Menschen an Bord auf ihrem Weg von Tallinn nach Stockholm vor der finnischen Südküste gesunken. 852 Menschen starben, nur 137 überlebten.

Dem offiziellen Untersuchungsbericht von 1997 zufolge war das abgerissene Bugvisier die Ursache für den Untergang. Es gibt aber bis heute Zweifel daran. Überlebende und Hinterbliebene fordern seit langem eine Wiederaufnahme der Untersuchungen.

In Auftrag der Hinterbliebenen-Organisation der Opfer hatte ein privat finanziertes Expertenteam aus Estland im September 2021 eine Expedition und Tauchgänge zu dem Wrack an der Unglücksstelle in der Ostsee unternommen – parallel zur offiziellen Untersuchung. Diese war von den staatlichen Behörden eingeleitet worden, nachdem im Herbst 2020 Dokumentarfilmer mit einem Tauchroboter unter anderem Löcher im Schiffsrumpf entdeckt hatten.