Rücktritt von Ex-FPÖ-Chef Strache: Die blaue Hydra hat einen Kopf weniger

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Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer

Mit dem Totalrückzug aus der Politik kam Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Dienstag dem drohenden Parteiausschluss zuvor. Regierungsfähiger macht die blaue Hydra die Entfernung eines Kopfes aber auch nicht.

Im Juni hatte er seinen 50. gefeiert, obwohl es schon nichts mehr zu feiern gab. Drei Wochen vor dem runden Geburtstag war das Ibiza-Video aufgetaucht und die politische Karriere tags darauf zu Ende. Vorerst zumindest. Ganz ausschließen wollte Heinz-Christian Strache nach dem Abgang als FPÖ-Chef und Vizekanzler und dem Platzen der türkis-blauen Koalition ein Comeback nämlich nicht. Denn viele treue Fans glaubten nur zu gern seine Verschwörungs- und Opfertheorien.

Tatsächlich schien der heimlich gefilmte Korruptionsanbahnungsversuch mit einer vermeintlichen russischen Milliardärin der FPÖ nur einen kleinen Dämpfer zu versetzen. Das prognostizierte Miniminus war für vorigen Wahlsonntag eingepreist. Die 22 Prozent hätten als Erfolg unter widrigen Umständen gefeiert werden sollen.

„Kleiner Mann“ groß enttäuscht

Doch es kam viel dicker. Die FPÖ stürzte um zehn Punkte auf 16 Prozent ab, was angesichts der Dimension der Skandale aber auch nicht verwunderlich war. Dass Straches Weste schon seit seinen Wehrsport-Jugendtagen braune Flecken verunzierten, hatte man ihm längst verziehen, der fette Ibiza-Patzer hätte sich mit der Zeit auch ausgebleicht, doch sein kurz vor der Wahl ruchbar gewordenes Spesenrittertum war so manchem „kleinen Mann“, als dessen Partei die FPÖ sich ausgibt, dann doch zu viel. Dem Absturz bei der Wahl folgte gestern der tiefe Fall jenes Mannes, den bis zum Auftauchen von Sebastian Kurz als ÖVP-Chef im Mai 2017 ein nicht völlig abwegiger Kanzlertraum angetrieben hatte. Der spät aber doch für seine Partei untragbar Gewordene kam seinen nunmehrigen Ex-Freunden zuvor und erklärte gestern selbst den Eintritt ins politische Nirwana.

Strache kündigte den „völligen Rückzug aus der Politik“ an, will jegliche politische Aktivität einstellen und auch keine politische Funktion mehr anstreben. Treu blieb er der Opferrolle, indem er jegliches Vergehen in Abrede stellte und „bis heute nicht bekannte Kräfte“ für die „Verleumdungen“ gegen ihn verantwortlich machte. Nicht einmal bis vor Kurzem treue Weggefährten wollen diese Sicht noch teilen. Vorarlbergs FPÖ-Landeschef Christoph Bitschi und sein steirischer Amtskollege Mario Kunasek hatten schon am Montag für einen Parteiausschluss plädiert.

Opferrolle zieht nicht mehr

In beiden Bundesländern droht der FPÖ in wenigen Wochen bei Landtagswahlen das nächste Debakel. Oberösterreichs Landeschef Manfred Haimbuchner fuhr gestern mit der öffentlich erhobenen Forderung nach einer Suspendierung der Strache-Mitgliedschaft zur Vorstandssitzung nach Wien. Einem solchen Beschluss kam Strache mit seiner Erklärung zuvor. Die FPÖ will nun reinen Tisch machen und sich völlig neu aufstellen, um, wenn schon nicht gleich, so doch irgendwann wieder als regierungsfähig wahrgenommen zu werden. Doch ob das mit Straches Abgang und der schonungslosen Überprüfung seiner Spesenabrechnungen gelingen kann, wird bezweifelt. Denn die rechte Hydra hat noch viele Köpfe. Einer davon gehört Herbert Kickl, dem immer einflussreicheren Querverbinder zu rechtsextremen Gruppen.

Auch so mancher, der sich jetzt als Strache-Kritiker hervortut, hat vor nicht allzu langer Zeit wie Niederösterreichs FPÖ-Chef Gottfried Waldhäusl mit seinem von Stacheldraht umgebenen Flüchtlingsheim selbst für Negativschlagzeilen gesorgt. Und es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass Strache an ein Politikerleben nach dem politischen Tod glaubt. Seit Montag existiert die Internet-Domain „liste-strache.at“. Sie könnte auch nur eine Rute im Fenster der FPÖ sein, um ihr die Lust an einer allzu schonungslosen Abrechnung mit ihrem Ex-Star zu nehmen.