Kopf des TagesNew Yorker Gouverneur Andrew Cuomo: Einstige Lichtgestalt im Krisenmodus

Kopf des Tages / New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo: Einstige Lichtgestalt im Krisenmodus
 Foto: AFP/Seth Wening

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New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo wird sexuelle Belästigung vorgeworfen

Die Zeiten, in denen Andrew Cuomo als Held gefeiert wurde, sind definitiv vorbei. Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hatte sich der New Yorker Gouverneur weltweit einen Namen gemacht als entschlossener, besonnener und zugleich einfühlsamer Krisenmanager, gewissermaßen als Gegenpol zum damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Doch der Umgang des Demokraten mit der Pandemie ist zuletzt immer mehr in die Kritik geraten. Nun setzen Vorwürfe der sexuellen Belästigung den 63-Jährigen zusätzlich unter Druck.

Gleich zwei frühere Mitarbeiterinnen werfen dem mächtigen Gouverneur vor, ihnen sexuelle Avancen gemacht oder sie gar unsittlich berührt zu haben. Die 36-jährige Lindsey Boylan beschuldigt Cuomo, ihr gegen ihren Willen auf den Mund geküsst, sie am „unteren Rücken, den Armen und Beinen“ berührt und sie einmal zu einer Partie „Strip-Poker“ aufgefordert zu haben.

Die 25-jährige Charlotte Bennett berichtete, Cuomo habe ihr gesagt, er sei offen für Beziehungen mit jungen Frauen, und sie gefragt, wie sie den Altersunterschied sehe. „Ich habe verstanden, dass der Gouverneur mit mir schlafen wollte, und habe mich furchtbar unwohl und verängstigt gefühlt“, sagte Bennett der New York Times.

Am Montag warf eine dritte Frau Cuomo vor, sie bei einer Hochzeit im September 2019 unangemessen berührt zu haben. Der Gouverneur habe ihr seine Hand auf ihren nackten unteren Rücken gelegt und gefragt, ob er sie küssen dürfe, erzählte die 33-Jährige der New York Times.

Die Vorwürfe haben auch Parteifreunde des Gouverneurs aufgeschreckt, Rücktrittsforderungen wurden laut. Eine unabhängige Untersuchung soll nun Aufklärung bringen.

Cuomo gab zuletzt eine teilweise Entschuldigung ab. Er sei bei manchen seiner „scherzhaften“ und „neckischen“ Bemerkungen offenbar zu weit gegangen: „Einige der Dinge, die ich gesagt habe, wurden als unerwünschter Flirt missverstanden.“ Das tue ihm „aufrichtig leid“. Zugleich beteuerte der einst mit einer Nichte des 1963 ermordeten Präsidenten John F. Kennedy verheiratete Gouverneur, er habe „nie jemanden unangemessen berührt“ oder ein sexuelles Angebot unterbreitet.

Die Erklärung sorgte gleich für neue Kritik. „Das ist keine Entschuldigung“, wetterte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, ein parteiinterner Cuomo-Rivale. „Er scheint zu sagen: ,Oh, ich habe nur Witze gemacht.‘ Sexuelle Belästigung ist nicht lustig.“

Der für gewöhnlich so angriffslustige Cuomo ist auf jeden Fall in der Defensive. Wenig ist von dem Glanz übrig geblieben, den der Politiker mit italienischen Wurzeln vor rund einem Jahr ausstrahlte.

Damals entwickelten sich der Bundesstaat New York und die gleichnamige Millionenmetropole zum neuen Corona-Epizentrum. Cuomo wurde so etwas wie ein Star im Kampf gegen die Pandemie. Mit harten Maßnahmen ging er gegen die Ausbreitung des tödlichen Coronavirus vor, mit ruhigem Ton, klaren Ansagen und tröstenden Worten erläuterte er in landesweit verfolgten Pressekonferenzen seine Politik.

Der Kult um den breitschultrigen Politiker, der seit 2011 an der Spitze des Bundesstaates steht, nahm teils bizarre Auswüchse an. Wahre Lobeshymnen wurden auf Cuomo geschrieben, als „Amerikas Gouverneur“ wurde er gefeiert, als „cuomosexual“ outeten sich Fans. Das lag sicherlich auch daran, dass die Öffentlichkeit sich angesichts von Trumps erratischem Kurs in der Pandemie nach klarer Führung sehnte.

Doch Cuomos Stern begann in den folgenden Monaten zu sinken. Dass der Gouverneur im Oktober ein selbstgefälliges Buch über „Lehren aus der Covid-19-Pandemie“ veröffentlichte, sorgte für Kopfschütteln, schließlich war und ist die Pandemie alles andere als vorbei. Mitarbeiter beschwerten sich über den herrischen Führungsstil des Gouverneurs.

Kritisiert wurden auch Fehler beim Schutz von Alten- und Pflegeheimen vor dem Virus. Inzwischen wird Cuomo und seiner Regierung vorgeworfen, die wahre Zahl der am Virus gestorbenen Altenheimbewohner, mehr als 15.000, verschleiert zu haben. Die Justiz hat bereits Ermittlungen eingeleitet.

Nun also die Belästigungsvorwürfe. Zwar warnen viele vor Vorverurteilungen. Doch seit Beginn der #MeToo-Bewegung wird auf sexuell übergriffiges Verhalten in den USA viel schneller und härter reagiert als noch vor einigen Jahren.

Cuomo ist angeschlagen, seine politische Zukunft ungewiss. Der Gouverneur ist wieder Krisenmanager – jetzt aber in eigener Sache. (AFP)