Kopf des Tages / „Monsieur Brexit“ will französischer Präsident werden
Michel Barnier will Emmanuel Macron herausfordern
Mit 70 Jahren mangelt es Michel Barnier nicht an politischem Ehrgeiz: Der frühere Brexit-Chefunterhändler der EU will Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl im kommenden April herausfordern. Dafür muss der konservative Politiker aber noch einige Hürden nehmen.
Mit seiner Kandidatur-Ankündigung setzt Barnier monatelangen Spekulationen ein Ende. Frankreich brauche einen Machtwechsel, um das Land zu versöhnen und wieder „wirklich handeln“ zu können, sagte der frühere französische Außenminister und Vizepräsident der EU-Kommission dem Fernsehsender TF1 am Donnerstagabend. Eine Anspielung auf Macrons Reformen, die durch Massenproteste und Corona-Pandemie zum Stillstand kamen.
Allerdings ist Barnier im Lager der französischen Konservativen beileibe nicht der Einzige, der sich für das höchste Amt in Stellung bringt. Im Herbst müsste er zunächst eine Vorwahl zwischen mehreren Anwärtern gewinnen.
„Unsere politische Familie droht zu verschwinden, wenn wir unsere Streitigkeiten nicht überwinden“, warnt Barnier. Denn Macrons Wahl im Mai 2017 löste ein Erdbeben im französischen Parteiensystem aus. Danach spaltete sich die konservative Volkspartei Les Républicains (Die Republikaner) auf: in „Konstruktive“, die Macron unterstützen und zu denen Premierminister Jean Castex und eine Reihe von Ministern gehören; und in „Traditionalisten“, die auf die Eigenständigkeit der Republikaner pochen. Zu letzteren zählt sich Barnier.
Als sein Vorbild sieht er Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der Frankreich von 2007 bis 2012 regierte. „Sarkozy hat es geschafft, alle zusammenzubringen“, sagte Barnier kürzlich der Nachrichtenagentur AFP. „Deshalb hat er gewonnen.“ Zudem habe Sarkozy eine Brandmauer nach rechts außen errichtet. Gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen tun sich viele Konservative schwer.
Punkten will Barnier auf einem ureigenen Feld Le Pens: der Migrationspolitik. Er verspricht im Fall eines Wahlsiegs einen vorläufigen Aufnahmestopp für Flüchtlinge und ein Referendum über die Einwanderung. Zudem wolle er sich für den Klimaschutz einsetzen, betonte er.
Ob dies für einen Einzug in den Elysée-Palast reicht, daran zweifeln viele. Denn die EU-skeptischen Franzosen sehen Barniers langjährige Arbeit in Brüssel eher kritisch, in Umfragen zu den beliebtesten Politikern spielte der steif wirkende 70-Jährige bisher keine Rolle. Alt im wahrsten Sinne des Wortes könnte er auch gegen den erst 43-jährigen Macron aussehen, fürchten manche.
Geboren wurde Barnier am 9. Januar 1951 fernab von Paris, in der kleinen Gemeinde La Tronche unweit der Alpenstadt Grenoble. Der Alpenregion Savoyen stand er lange Jahre als Präsident vor. In den 1990er Jahren zog Barnier erstmals in die Pariser Regierung ein. Zunächst war er Umweltminister, später Agrar- und Außenminister.
Bekannt wurde er aber vor allem in Brüssel: zunächst als Regionalkommissar, ab 2010 auf dem wichtigen Posten des Binnenmarktkommissars. Im Juli 2016 wurde er Brexit-Chefunterhändler. Auch nach dem Austritt der Briten war der dreifache Vater Barnier noch für die EU tätig: als Sonderberater von Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Was der leidenschaftliche Bergwanderer einmal über die zähen Brexit-Verhandlungen gesagt hat, könnte nun auch für die Präsidentschaftswahl gelten: Im Gebirge lerne man, „einen Fuß vor den anderen zu setzen, weil der Weg steinig sein kann“. Wichtig sei, „den Gipfel immer im Blick zu behalten“. (AFP)
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