Argentinien / „Man wählt das geringere Übel“: Unentschlossenheit vor Präsidentenstichwahl

Mit Brachial-Methoden verspricht Javier Milei (M.) das Land zu regieren, sollte er am Sonntag argentinischer Präsident werden. Ist er schlau oder verrückt, fragt die Rentnerin Margarita Pérez, und ahnt wohl die Antwort.
Diana del Rio hat sich entschieden: Bei der Stichwahl am Sonntag wird die 62-jährige Argentinierin einen leeren Stimmzettel in die Urne stecken. Weder Wirtschaftsminister Sergio Massa noch der ultraliberale Populist Javier Milei scheinen der Tierärztin als Präsident geeignet. Der Ausgang der Abstimmung ist noch völlig offen, zu hoch ist der Anteil der Unentschlossenen.
„Eigentlich halte ich es nicht für richtig“, sagt del Rio in ihrer kleinen Tierklinik in Buenos Aires. Aber sie sieht keine andere Möglichkeit, als sich bei der Stichwahl zu enthalten: „Der eine Kandidat scheint mir ein respektloser Irrer zu sein, und beim anderen haben wir seit vielen Jahren gesehen, was er tut.“ Auch del Rios Kollegin Julieta Díaz kann sich nicht entscheiden. „Man kann nur das geringere Übel wählen“, sagt die 37-Jährige.
Argentinien steckt in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, den neuen Präsidenten erwarten riesige Herausforderungen. Doch viele Argentinier trauen keinem der beiden Kandidaten zu, die Probleme in den Griff zu bekommen. Massa hat als Wirtschaftsminister eine dreistellige Inflationsrate und wachsende Armut mitzuverantworten. Milei, der sich selbst als Anarchokapitalist bezeichnet, will die Zentralbank abschaffen, die öffentlichen Ausgaben „mit der Kettensäge“ kürzen und den argentinischen Peso durch den US-Dollar ersetzen.
„Für viele Argentinier ist dies eine unmögliche Wahl. Die für die Entscheidung bei weitem wichtigsten Wähler sind der riesige Block derjenigen, die beide Optionen strikt ablehnen“, sagte Benjamin Gedan von der Denkfabrik Wilson Center in Washington.
Umfragen zufolge liefern sich die beiden Kandidaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wobei Milei einen leichten Vorsprung hat. Sieben bis 13 Prozent sind laut Meinungsforschern noch unentschlossen oder wollen einen leeren Stimmzettel abgeben. Zu den Unentschlossenen gehören insbesondere Wähler von Patricia Bullrich, der früheren rechten Sicherheitsministerin, die im ersten Wahlgang im Oktober mit knapp 24 Prozent der Stimmen ausschied.
Ich tendiere zu Massa. Milei macht mir Angst – ich weiß nicht, ob er schlau oder verrückt ist.Rentnerin
María López will sich auf keinen Fall vor der Entscheidung für einen Kandidaten drücken. Aber wenige Tage vor der Wahl fühle sie sich noch völlig verwirrt, sagt die 39-Jährige, die in einem Juweliergeschäft arbeitet. Dort sieht sie, wie die Preise Monat für Monat steigen.
Abwertung des Peso nach der Wahl
Angesichts der bedrückenden Wirtschaftslage und einer Inflation von 143 Prozent haben López und ihr Mann sich gegen ein Baby entschieden. „Man kann die Zukunft nicht mehr planen. Man weiß nicht, was morgen passieren wird. Die Mieten sind explodiert, es wird immer schwieriger, bis zum Monatsende durchzuhalten“, sagt sie. Wie viele andere fürchtet sie eine Abwertung des Peso, die mehrere Analysten für unvermeidlich nach der Wahl halten.
„Leider muss man wählen“, sagt Pablo Rivera, der seit mehr als 30 Jahren einen kleinen Blumenstand im noblen Stadtteil Recoleta betreibt. In Argentinien herrscht Wahlpflicht. Die Menschen, die Geld für Blumenschmuck übrig haben, werden immer weniger, beobachtet der 55-Jährige. „Wenn ich wählen gehe, dann für Milei“, sagt er. „Aber gleichzeitig will ich auch nicht für ihn stimmen. Dieses Land ist eine Schande!“
„Ich werde die Entscheidung erst im letzten Moment treffen – wenn ich alle meine Berechnungen angestellt habe“, sagt Ernesto Velásquez bei einem Spaziergang im Park mit seinem kleinen Kind. „Das Land ist in zwei Hälften gespalten“, urteilt der IT-Experte.
Die Rentnerin Margarita Pérez macht auf einem Markt im Viertel Isidro Casanova ihrem Ärger Luft: „Ich habe die Nase voll von diesen Präsidenten, die nichts für uns tun“, sagt sie. Sie müsse putzen gehen, um über die Runden zu kommen, erzählt sie unter Tränen. „Ich weiß, dass ich am Sonntag wählen werde, aber ich weiß nicht wen“, sagt Pérez. „Ich tendiere zu Massa. Milei macht mir Angst – ich weiß nicht, ob er schlau oder verrückt ist.“ (AFP)
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