„Flüchtlinge als Waffe“Litauens Grenzregion zu Belarus in Aufruhr

„Flüchtlinge als Waffe“ / Litauens Grenzregion zu Belarus in Aufruhr
Migranten im Lager in Rudninkai in Litauen zeigen bei einer Kundgebung Plakate mit Aufschriften wie „Help Afghanistan“ Foto: dpa/Alexander Welscher

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Der belarussische Machthaber Lukaschenko steht in der Kritik, Afghanen und andere Flüchtlinge massenhaft in die EU zu schleusen, um sich für Sanktionen gegen sein Land zu rächen. 

Lager mit Flüchtlingen aus Afghanistan, Syrien und dem Irak haben die Menschen in Litauen lange nur über das Fernsehen in anderen Ländern gesehen. Bis mehrere Hundert Flüchtlinge illegal die Grenze aus Belarus überschritten. In einer provisorischen Zeltstadt im idyllischen Dorf Rudninkai mit seinen Holzhäusern leben jetzt schon mehr Migranten als Einheimische. Sie kommen aus dem Nachbarland Belarus – dort, wo Machthaber Alexander Lukaschenko wütend ist über die Sanktionen der EU. Er rächt sich, indem er massenhaft Flüchtlinge in die EU durchlässt.

Seit Wochen ist die Ruhe für die rund 500 Einwohner im beschaulichen Rudninkai dahin. Das Auffanglager sorgt in dem gut 30 Kilometer südlich der litauischen Hauptstadt Vilnius gelegenen Ort für Aufregung. Mehr als 700 Migranten, die illegal über die Grenze von Belarus nach Litauen gekommen sind, hat die Regierung des baltischen EU-Landes dort untergebracht – zum Unmut vieler Dorfbewohner.

„Stoppt Migranten in Rudninkai!“ und „Wir sagen Nein zu den Illegalen!“ steht auf den Protestplakaten, die an Zäunen an der Hauptkreuzung hängen. Gut einen Kilometer davon entfernt liegt in einem Waldstück das provisorische Lager. Es ist die größte Erstaufnahmeeinrichtung in dem Land mit drei Millionen Einwohnern und einer 680 Kilometer langen Grenze zu Belarus.

Minsk garantiert die freie Durchreise

Seit Mai überquerten mehr als 4.100 Flüchtlinge illegal die grüne Grenze zwischen Litauen und seinem Nachbarland. Im gesamten Vorjahr griff der litauische Grenzschutz 81 Migranten auf, davon 74 aus Belarus und einige aus Russland. Auch Menschen aus Afghanistan sind in dem Lager. Die belarussische Fluglinie Belavia fliegt Afghanistans Nachbarländer Usbekistan und Tadschikistan an, wohin viele Menschen vor den militant-islamistischen Taliban fliehen.

In Minsk hat Lukaschenko mehrfach erklärt, dass seine Grenzschützer die Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hinderten – als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen die vom Westen isolierte Ex-Sowjetrepublik. 

Litauens Regierung dagegen spricht von „hybrider Kriegsführung“ gegen das eigene Land und die gesamte Europäische Union. Die EU, deren Innenminister am Mittwoch über die Lage berieten, wirft Lukaschenko vor, „Flüchtlinge als Waffe“ gegen die EU zu benutzen. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel kritisierte am Dienstag in Berlin Lukaschenkos Vorgehen als „Attacke auf uns alle in der Europäischen Union“.

Seit Anfang August weist der litauische Grenzschutz Migranten ab, die über Belarus illegal ins Land kommen wollen. Nun warf Litauen auch belarussischen Sicherheitskräften einen illegalen Grenzübertritt vor. Polen verstärkte seine Grenze zu Belarus mit mehr als 900 Soldaten, wie Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak mitteilte.

Die Staatsmedien im benachbarten Belarus schlachten den Ausnahmezustand in Litauen seit Wochen genüsslich aus. Lukaschenko zeigt auf Litauen und klagt, die armen Flüchtlinge würden unmenschlich wie im „Konzentrationslager“ behandelt. Nicht Belarus, sondern der Westen müsse Verantwortung übernehmen für seine Politik in Afghanistan, im Irak und anderswo. Dort sei alles zerstört worden. „Verständlich, dass auch die Migration über Belarus zugenommen hat“, sagt der Machthaber. Aufhalten will er niemanden. Lukaschenko behauptet immer wieder, die EU-Staaten würden sich über die Arbeitskräfte freuen. In Belarus jedenfalls gebe es keinen Platz. (dpa)