Indien ringt um LuftKrankenhäuser senden Hilferufe wegen fehlenden Sauerstoffs

Indien ringt um Luft / Krankenhäuser senden Hilferufe wegen fehlenden Sauerstoffs
Auch die Mitarbeiter von Krematorien und Friedhöfen arbeiten an der Belastungsgrenze Foto: AFP/Punit Paranjpe

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Noch Anfang 2021 sah es gut aus in Indien und das Leben wurde immer normaler. Aber jetzt kämpft das Riesenland mit einer großen zweiten Corona-Welle. Die Seuche verbreitet sich immer schneller und den Krankenhäusern geht buchstäblich der Sauerstoff aus.

Angesichts der hohen Zahl von Corona-Patienten haben indische Krankenhäuser am Freitag Hilferufe wegen fehlenden Sauerstoffs zur künstlichen Beatmung gesendet. „SOS – weniger als eine Stunde Sauerstoffvorräte übrig im Max Smart Hospital und Max Hospital Saket“, schrieb eine der größten Ketten von Privatkrankenhäusern im Onlinedienst Twitter. „Mehr als 700 Patienten aufgenommen, brauchen sofortige Hilfe.“

Die Behörden meldeten am Freitag weitere 330.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden und 2.000 weitere Todesfälle. Indien erlebt derzeit eine neue Corona-Welle, allein in diesem Monat wurden bereits mehr als vier Millionen Neuinfektionen registriert.

Das ohnehin seit Jahrzehnten unterfinanzierte Gesundheitssystem ist von der hohen Zahl an Corona-Patienten überfordert, es fehlt an Sauerstoff, Medikamenten und Betten. Vor wenigen Tagen starben 22 Covid-19-Patienten im Bundesstaat Maharashtra, als die Sauerstoffzufuhr ihrer Beatmungsgeräte wegen eines Lecks abbrach.

Der Bedarf an medizinischem Sauerstoff ist teilweise um mehr als das 13-Fache gestiegen
Der Bedarf an medizinischem Sauerstoff ist teilweise um mehr als das 13-Fache gestiegen Foto: AFP/Noah Seelam

In Neu Delhi ging in der Nacht zum Freitag in mindestens sechs Krankenhäusern der Sauerstoff zur Neige, bevor am Morgen neue Lieferungen eintrafen. Die Fahrer von Sauerstoff-Tankfahrzeugen machen Überstunden, um alle Kliniken zu versorgen. Auch Frachtflugzeuge zum Sauerstofftransport sind im Einsatz, am Donnerstag startete ein erster „Sauerstoffexpress“-Zug mit Tanks an Bord.

Im Bundesstaat Gujarat standen Patienten vor den überlasteten Krankenhäusern und schnappten verzweifelt nach Luft, während sie auf einen Krankenwagen warteten. Der Bedarf an medizinischem Sauerstoff in dem Bundesstaat ist nach Behördenangaben seit Ende März um mehr als das 13-Fache gestiegen. Viele private Krankenhäuser haben gar keinen Sauerstoff mehr. Auch die Mitarbeiter von Krematorien und Friedhöfen arbeiten an der Belastungsgrenze. In der Stadt Rajkot wurden Leichen auf freiem Feld außerhalb der Stadt verbrannt.

Neue Mutante und verfrühte Lockerung

Derweil kommt es in den Krankenhäusern immer wieder zu verheerenden Bränden, zum Teil möglicherweise ausgelöst durch explodierende Sauerstofftanks. Beim jüngsten derartigen Unglück starben am Freitag 13 Covid-19-Patienten bei einem Brand auf der Intensivstation eines Krankenhauses nahe Mumbai. Vier weitere Patienten der Station überlebten.

Indiens Premierminister Narendra Modi hetzt derweil von Krisensitzung zu Krisensitzung, allein am Freitag standen mindestens drei verschiedene Treffen zum Thema Sauerstoffvorräte und Versorgung mit dringend benötigten Medikamenten auf seinem Terminplan. Nach Angaben des indischen Verteidigungsministeriums soll binnen einer Woche eine Lieferung mit 23 Anlagen zur Sauerstoffaufbereitung aus Deutschland eintreffen.

Für den zuletzt massiven Anstieg der Infektionszahlen werden eine doppelte Mutation des Coronavirus sowie religiöse, politische und sportliche Massenveranstaltungen verantwortlich gemacht. In der Hoffnung, in der Corona-Krise sei das Schlimmste vorbei, hatten die indischen Behörden Anfang des Jahres die meisten Auflagen gelockert und Veranstaltungen von riesigen Hochzeitsfeiern über Cricketspiele bis zu religiösen Versammlungen wieder erlaubt.

Bei der Kumbh Mela, einer der größten religiösen Feiern der Welt, drängten sich zwischen Januar und dieser Woche geschätzt 25 Millionen Pilger dicht an dicht, die meisten ohne Maske. In vielen Bundesstaaten gab es zudem Wahlkampfveranstaltungen, darunter eine von Premierminister Modi in Kolkata mit geschätzt 800.000 Teilnehmern. Mehrere Bundesstaaten haben die Corona-Vorschriften inzwischen wieder verschärft.