Ist die Immobilienkrise vorüber? In Spanien boomt die Wirtschaft wieder

Ist die Immobilienkrise vorüber? In Spanien boomt die Wirtschaft wieder
Madrid bei Nacht. Foto: Pixabay

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Baukräne ragen allerorten an Spaniens Urlaubsküsten in den Himmel. Auch in den Citys der großen Städte, wie etwa in Madrid oder in Barcelona, künden große Infotafeln von zahlreichen neuen Wohnungsprojekten. Es ist unübersehbar: Die Baubranche boomt wieder.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze

Die Immobilienkrise, die vor rund zehn Jahren das spanische Königreich zum Wanken brachte, scheint überwunden zu sein. Inzwischen gilt Spaniens Immobilienmarkt wieder als einer der wichtigsten Motoren für neue Beschäftigung. Was dazu beiträgt, dass die Arbeitslosenquote, die in den schlimmsten Krisenjahren bei 26 Prozent lag, inzwischen auf 14 Prozent fiel. Das ist freilich immer noch zu hoch.

Auch der Tourismus trägt zur Belebung der Konjunktur bei. Sogar mehr als alle anderen Branchen. Obgleich sich Anzeichen mehren, dass das Feriengeschäft an seine Wachstumsgrenzen kommt. Allein schon deswegen, weil in machen Urlaubshochburgen, wie etwa auf Mallorca, kein Platz für noch mehr Feriengäste ist. Die Reiseindustrie ist mit gut 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die tragende ökonomische Säule des Königreichs. Spanien etablierte sich hinter Frankreich und vor den USA als das zweitbeliebteste Reiseziel der Welt: Nahezu 83 Millionen ausländische Urlauber kamen im vergangenen Jahr – das ist bei einer Bevölkerung von 47 Millionen Menschen eine beeindruckende Zahl.

Bewundernswert auch, dass Spanien, viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, in den letzten vier Jahren überdurchschnittlich wuchs. 2019 soll das Wachstum mit 2,1 Prozent weiterhin höher liegen als in den meisten anderen EU-Ländern. Spaniens Entwicklung ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass dieses Land seit dreieinhalb Jahren keine wirklich handlungsfähige Regierung hat. Dies deutet darauf hin, dass eine Volkswirtschaft auch ohne politische Eingriffe zufriedenstellend laufen kann – obwohl steuernde Reformen in dieser Zeit auf der Strecke bleiben.

Im Falle Spaniens gehört zu diesen drängenden Reformen zum Beispiel die Sanierung der Staatsschulden: Das in den früheren Krisenjahren aus dem Ruder gelaufene Haushaltsdefizit wurde zwar 2018 auf 2,5 Prozent des BIP heruntergefahren, ist aber unter dem Strich immer noch eines der höchsten in der EU. Das Schuldenproblem spiegelt sich vor allem in der Gesamtverschuldung, die bei knapp 100 Prozent des BIP liegt und in absoluten Zahlen nicht etwa sinkt, sondern seit Jahren kontinuierlich steigt. Damit bleibt Spanien im Falle von neuen Turbulenzen am Finanzmarkt verwundbar.

Spaniens weitgehend steuerlose Zeit begann 2016. Damals blieb das Land zehn Monate ohne gewählte Regierung, bevor es dem Konservativen Mariano Rajoy gelang, eine schwache Minderheitsregierung auf die Beine zu stellen. Im Sommer 2018 folgte dann, nach einem Misstrauensvotum gegen Rajoy, ein sehr wackeliges sozialistisches Kabinett unter Pedro Sánchez – das allerdings im Februar 2019, wegen Streits mit den katalanischen Separatisten, scheiterte.

Ritterschlag für Sánchez

Ende April wurde deswegen neu gewählt: Der sozialdemokratisch orientierte Sánchez gewann, baute seine Stärke sogar aus, hält aber weiter keine absolute Mehrheit. Trotzdem will Sánchez, wie er jetzt verkündete, keine Koalition eingehen, sondern mit seinem sozialistischen Minderheitskabinett weitermachen. Wenn auch auf stabilerer Basis: mit politischen Pakten im Parlament und ohne sich auf die unberechenbaren Separatisten aus Katalonien zu stützen.

Ganz grundsätzlich: Dass eine Minderheit regiert, muss nicht unbedingt schiefgehen, wie auch das Beispiel des spanischen Nachbarn Portugal zeigt. In dem früheren Pleiteland regiert seit 2015 der Sozialist António Costa ohne eigene Mehrheit, aber mit parlamentarischer Unterstützung von zwei kleinen linken Parteien. Der Portugiese kann erstaunliche Erfolge vorweisen, die auch in Spanien Neid hervorrufen: Das Etatminus sank 2018 auf 0,5 Prozent – ein historisches Tief. Die Arbeitslosenquote ist mit 6,4 Prozent sehr niedrig, die Wirtschaft brummt.

Portugal steht dafür, dass Minderheitsregierungen besser sind als ihr Ruf. Woraus man schließen kann, dass auch mit dem neuen sozialistischen Experiment in Spanien die Welt nicht untergehen muss. Zumal der Sozialist Sánchez, ein promovierter Ökonom, in der Vergangenheit schon mehrfach für Überraschungen gut war.

Überraschend kam nun auch der Ritterschlag durch die spanische Wirtschaft, die Sánchez ganz offenbar zutraut, Spanien erfolgreich in die Zukunft zu lenken: Der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Antonio Garamendi, appellierte an die konservative Opposition, staatsmännische Größe zu zeigen und Sánchez’ Wahl im Parlament nicht zu blockieren.