DeutschlandInflationsrate erstmals seit 1993 mit Vier vor dem Komma

Deutschland / Inflationsrate erstmals seit 1993 mit Vier vor dem Komma
In Deutschland kletterte die Teuerungsrate im September auf 4,1 Prozent Foto: AFP/Saeed Khan

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Teure Energie und steigende Lebensmittelpreise haben die Inflationsrate im September erstmals seit fast 28 Jahren über die Vier-Prozent-Marke getrieben.

Waren und Dienstleistungen verteuerten sich in Deutschland um durchschnittlich 4,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch eine frühere Schätzung bestätigte. Das ist der höchste Stand seit Dezember 1993, als die vom Wiedervereinigungsboom angefachte Inflationsrate sogar auf 4,3 Prozent kletterte. Im August lag sie noch bei 3,9 Prozent, im Juli bei 3,8 Prozent.

In den kommenden Monaten dürfte es weiter in Richtung fünf Prozent gehen, da die Unternehmen den Kostenschub durch gestiegene Preise für Materialien noch nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben haben. Als Konsequenz auf zunehmende Knappheiten wollen jetzt auch viele Einzelhändler ihre Preise anheben, wie das Ifo-Institut bei seiner Unternehmensumfrage herausfand. „Die Industrie hat Preiserhöhungen angekündigt und dies kommt jetzt zwangsläufig im Einzelhandel an“, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Für den Anstieg im September verantwortlich ist einmal mehr die Entwicklung bei Energie: Sie kostete 14,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. „Wesentlich dafür waren die Basiseffekte, da wir die aktuellen Preise mit den sehr niedrigen Preisen des Vorjahres vergleichen“, sagte Christoph-Martin Mai vom Statistikamt. „Auch die zu Jahresbeginn eingeführte CO2-Abgabe wirkt insbesondere erhöhend auf die Teuerungsrate der Energieprodukte.“ Dabei verteuerte sich Heizöl mit 76,5 Prozent besonders stark, ebenso Kraftstoffe wie Benzin mit 28,4 Prozent. Auch Erdgas (+5,7 Prozent) und Strom (+2,0) kosteten mehr als vor Jahresfrist.

„Die Preise fossiler Energieträger wie Öl und Gas werden auch in Zukunft weiter steigen“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. „Das ist gut so, denn dies gehört zu einer klugen Strategie in Sachen Klimaschutz dazu.“ Die Politik sollte Menschen mit geringen Einkommen gezielt finanziell entlasten, aber nicht Topverdiener oder Unternehmen. 

Nahrungsmittel verteuerten sich im September mit 4,9 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich stark. Gemüse kostete sogar 9,2 Prozent mehr, während für Molkereiprodukte und Eier 5,5 Prozent mehr verlangt wurden. Darüber hinaus verteuerten sich auch Gebrauchsgüter wie Fahrzeuge (+6,4 Prozent) oder Möbel und Leuchten (+4,4 Prozent) deutlich. Dienstleistungen kosteten 2,5 Prozent mehr, wobei sich Wohnungsmieten um 1,4 Prozent erhöhten.

Die starke Teuerung ist allerdings auch auf temporäre Sondereffekte zurückzuführen. Dazu gehören das extrem niedrige Ausgangsniveau bei den Rohstoffpreisen, Pandemie- und Lockdown-bedingte Nachholeffekte oder die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung im Kampf gegen die Corona-Krise in der zweiten Jahreshälfte 2020. 

Inflationsrate von 5,4 Prozent in den USA

Auch in den USA bleibt der Druck auf die Preise hoch. Im September hat er sich jedoch überraschend weiter beschleunigt. Waren und Dienstleistungen kosteten 5,4 Prozent mehr als im Vorjahresmonat, wie das Arbeitsministerium am Mittwoch in Washington mitteilte. Damit wurde das 13-Jahres-Hoch vom Sommer erneut erreicht. Besonders Energie kostet erheblich mehr: Kraftstoffe etwa verteuerten sich um 42,1 Prozent. Wegen Knappheiten waren auch Gebrauchtwagen und -Lkw teurer als im September 2020. Hier lag der Aufschlag bei 24,4 Prozent.

Viele Experten sehen noch kein Ende der Inflationsspirale, zumal auch die Mieten zuletzt merklich gestiegen sind. „Angesichts der auch im Oktober weiter anziehenden Notierungen für Energie könnte sich die Vorhersage mancher Ökonomen, dass der Höhepunkt der US-Inflation schon hinter uns liegt, als voreilig herausstellen“, sagte LBBW-Volkswirt Dirk Chlench. Das schlage auf die Verbraucher durch. So kostet Erdöl aktuell mit rund 80 Dollar je Fass so viel wie seit Jahren nicht mehr, weil mit der Erholung der Weltwirtschaft von der Corona-Pandemie die Nachfrage steigt. Auch die Preise für Erdgas sind kräftig angezogen.

US-Notenbankchef Jerome Powell machte für die hohe Inflation vor allem Engpässe in der Lieferkette verantwortlich. Er hielt das bislang für ein vorübergehendes Phänomen. Allerdings gibt es derzeit noch keine Anzeichen dafür, dass der Mangel an wichtigen Produkten wie Halbleitern zu Ende geht. „Wegen der Inflationsrisiken dürfte die Fed im November beschließen, die Anleihenkäufe zu reduzieren, auch wenn die Wirtschaft zuletzt an Schwung verloren hat“, meint Commerzbank-Ökonom Christoph Balz. (Reuters)