Großbritannien: Kampf um Professoren-Renten

Großbritannien: Kampf um Professoren-Renten

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In der Bibliothek der SOAS University of London herrscht Hochbetrieb. Viele Studenten sichern sich wichtige Bücher für die kommenden Wochen und kopieren Lehrmaterial. Denn ab kommendem Donnerstag soll ihre Universität wie über 60 weitere Unis und Colleges in Großbritannien lahmgelegt werden. In dem nach Gewerkschaftsangaben größten Akademikerstreik in der Geschichte Großbritanniens sollen dann alle Vorlesungen und Seminare ausfallen.

Die Gewerkschaft University and College Union (UCU), der landesweit rund 190.000 Lehrkräfte angehören, will an insgesamt 14 Streiktagen über die kommenden vier Wochen die Arbeit niederlegen. Die Professoren und Dozenten kämpfen für ihre Altersvorsorge, denn im Zuge einer geplanten Rentenreform des Arbeitgeberverbands Universities UK (UUK) sollen ihre Rentenbeiträge an der Börse gehandelt werden. Die Gewerkschaft rechnet pro Person im Schnitt mit Einbußen von etwa 10.000 Pfund (über 11.000 Euro) pro Jahr.

Keine Einigung in Sicht

Klausur- und Hausarbeitstermine wurden bereits verschoben, auch E-Mails wollen die Lehrkräfte offiziell in der Streikphase nicht beantworten. Landesweit wollen die Professoren und Dozenten die Eingänge zu ihren Hochschulen und Bibliotheken mit Streikpostenketten abriegeln, um den laufenden Betrieb völlig zum Stillstand zu bringen. Viele Studenten sind stinksauer.

Viele Studenten zahlen aus eigener Tasche: 9.000 bis 11.000 Pfund müssen britische und EU-Studenten für einen Ein-Jahres-Master berappen, Nicht-EU-Ausländer mindestens 18.000 Pfund. „Ich kann verstehen, wenn jetzt viele ihr Geld zurückwollen“, sagt die Studentin Kania. Sie hat eine von vielen Petitionen unterschrieben, in denen Studenten Teile ihrer Studiengebühren zurückfordern.

Nach monatelangen Verhandlungen konnten sich Arbeitgeberverband und Gewerkschaft nicht auf einen Entwurf des „Universities Superannuation Scheme“ einigen. „Bis vor ein paar Jahren konnte ein Uni-Lehrender noch sehr sicher abschätzen, wie viel Rente er bekommt“, erklärt Tom Armstrong, Präsident des Gewerkschaftsablegers an der SOAS University of London. „Vor einigen Jahren wurde das System dann insofern verändert, dass bis zu einem Jahresgehalt von 55.500 Pfund normal eingezahlt wird und darüber hinaus unsere Rentenbeiträge an der Börse gehandelt werden.“ Der Arbeitgeberverband UUK will im neuen Entwurf die Einkommensgrenze nun komplett auflösen und alle Rentenbeiträge der Lehrenden in Fonds und Anteilen an der Börse handeln.

Finanzierungsdefizit von 7,5 Milliarden Pfund

Laut UUK befindet sich das derzeitige System in einer Krise und weist ein Finanzierungsdefizit von 7,5 Milliarden Pfund auf. „Die meisten Universitäten können sich es nicht mehr leisten, mehr für Renten auszugeben, ohne in anderen Bereichen wie der Lehre oder der Forschung zu sparen“, sagt der UUK-Vorsitzende Alistair Jarvis. Dies solle mit der Reform ausgeglichen werden, um „nachhaltige und attraktive Renten für ihre Mitglieder zu gewährleisten“.

Die Gewerkschaft argumentiert aber, dass der Unisektor durch die fortschreitende Privatisierung boome. Sie will mit ihrem Streik die Universitätsleitungen „möglichst hart treffen“. Die Altersvorsorge dürfe nicht „an der Börse verwettet werden“. Langfristig könnten durch die Rentenreform viele Lehrkräfte in andere Staaten abwandern, was eventuell durch den Brexit noch verstärkt werde.

Zusätzlich zum Streik will die Gewerkschaft am 28. Februar vor dem Parlament in London demonstrieren. Falls keine dieser Maßnahmen den Arbeitnehmerverband UUK zum Umdenken zwinge, könnte die nächste Stufe des Arbeitskampfes ein Benotungsboykott sein, sagt Armstrong. Damit wären landesweit die Abschlüsse Tausender Studenten gefährdet.