DeutschlandFür einige in der Union ist Jens Spahn ein Hoffnungsträger – noch will er aber nicht durchstarten

Deutschland / Für einige in der Union ist Jens Spahn ein Hoffnungsträger – noch will er aber nicht durchstarten
Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn (r.) überlässt anderen – wie hier Lothar Wieler, Leiter des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI) – das Ankündigen schlechter Nachrichten  Foto: dpa/AFP Pool/Tobias Schwarz

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Jens Spahn ist Mitte Mai 40 Jahre alt geworden. Wegen der Corona-Pandemie konnte auch der Gesundheitsminister seinen Geburtstag nicht feiern, das will er nächstes Jahr nachholen. Die einen finden, mit 40 habe Spahn noch viel Zeit, um auf der politischen Karriereleiter weiter nach oben zu klettern. Andere verweisen auf Sebastian Kurz. Der sei erst 34 Jahre alt und schon österreichischer Bundeskanzler. Um Spahn ranken sich derzeit viele Spekulationen in Berlin.

Am 4. Dezember soll der neue CDU-Chef in Stuttgart gewählt werden. Spahn steht bislang für dieses Amt nicht zur Wahl. Er tritt zwar im Duo mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet gegen Ex-Fraktionschef Friedrich Merz und den Außenpolitiker Norbert Röttgen an, will aber nur Laschets Vize werden. Ob der Parteitag überhaupt in Stuttgart stattfinden kann, wo doch die baden-württembergische Landeshauptstadt inzwischen Corona-Hotspot ist, ist unklar. Im Konrad-Adenauer-Haus der CDU plant man nach Informationen unserer Redaktion nun auch mit Alternativen. Sollte wegen Corona die Durchführung nicht möglich sein, soll der Konvent mit seinen 1.001 Delegierten nach Ostdeutschland verlegt werden, genauer: nach Dresden oder Leipzig. Endgültig will man darüber bei der Bundesvorstandssitzung am 26. Oktober entscheiden.

Im Kandidatenkampf hat Spahn eine Sonderrolle: Er mischt nur indirekt mit. Und das macht er reichlich geschickt, sodass der Gesundheitsminister in den Umfragen mittlerweile zu den beliebtesten Politikern gehört: Zuletzt rangierte er im „Politbarometer“ zusammen mit Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) auf Rang zwei hinter Kanzlerin Angela Merkel. Bei seinen vielen Auftritten zur Corona-Pandemie hat der Münsterländer eine besondere Strategie verinnerlicht: Er mahnt, ist besorgt und zeigt Verständnis, aber die wirklich schlechten Nachrichten überlässt er anderen. So zuletzt bei seiner Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. Während Spahn sich weigerte, über Zahlen für einen möglichen zweiten Lockdown zu reden, wohl wissend, welche Schlagzeile daraus entstehen würde, entwarf Wieler ein düsteres Bild hinsichtlich möglicher Neuinfektionen.

Allenthalben wird Spahn in der Union attestiert, einen guten Krisen-Job zu machen. Auch wenn manche Kabinettskollegen neuerdings eine nervende Überheblichkeit bei ihm festgestellt haben wollen. Parallel zur steigenden Beliebtheit Spahns wachsen die Zweifel am Kandidatentrio um den CDU-Vorsitz. Laschet hat in der Corona-Krise nicht immer ein sicheres Händchen bewiesen. Für viele in der Union steht er lediglich für ein „Weiter so“. Bei Friedrich Merz hat sich durch seine unglücklichen Äußerungen über Homosexuelle und Kurzarbeiter der Eindruck verfestigt, ein Mann von gestern zu sein. Und Norbert Röttgen ist zwar ein kluger Denker, hat aber wenige Freunde in der CDU.

Weitere Spekulationen sind gewiss

Also doch Spahn? Als Zeichen des Aufbruchs und der Erneuerung? Schon seit geraumer Zeit hält sich das Gerücht eines Rollentausches in Berlin hartnäckig – Laschet tritt zur Seite, und Spahn kandidiert für den Vorsitz. Der Gesundheitsminister hat das zwar immer dementiert, doch eine Debatte darüber ist am Wochenende durch junge Bundestagsabgeordnete entstanden. Einer von ihnen ist der Mannheimer Nikolas Löbel. Er sagt: „Wir brauchen als Union einen Mix aus Erfahrungen und Zukunftskompetenz. Dafür steht Jens Spahn.“ 2018, so Löbel gegenüber dem Tageblatt, sei der Kampf um den Bundesvorsitz als belebend wahrgenommen worden. Doch jetzt würden sich die Menschen wegen der Corona-Krise Geschlossenheit wünschen – „und deshalb hoffe ich noch immer auf eine einvernehmliche Lösung“.

Dass es dazu kommen wird, ist nach jetzigem Stand unwahrscheinlich. Es sei denn, es gibt noch eine Pro-Spahn-Bewegung unter führenden Christdemokraten. Die ist bisher aber nur vereinzelt da und im Hintergrund zu vernehmen. Auch weil keiner genau weiß, wie ein Rollentausch gesichtswahrend für Laschet vollzogen werden könnte. Gleichwohl wabert derzeit noch ein weiteres Gerücht durch Berlin, gestreut von Einzelnen aus der Union: dass Laschet als neuer CDU-Chef dann „dem Jens“ die Kanzlerkandidatur überlassen könnte, um sich ganz dem NRW-Wahlkampf 2022 zu widmen. Andere in der Partei verweisen allerdings darauf, Laschets erklärtes Ziel sei sehr wohl, auch Kanzler zu werden. Acht Wochen sind es noch bis zum Parteitag. Weitere Spekulationen sind gewiss.