EUDer Streit mit dem Pharmakonzern AstraZeneca spitzt sich zu

EU / Der Streit mit dem Pharmakonzern AstraZeneca spitzt sich zu
EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides erklärte gestern, vertraglich sei nicht vorgesehen, dass die EU nachrangig beliefert werden soll  Foto: Olivier Hoslet/Pool EPA/AP/dpa

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Der Streit zwischen der Europäischen Union und dem britischen Pharmakonzern AstraZeneca wegen Lieferproblemen beim Covid-19-Impfstoff spitzt sich zu.

Die Europäische Union forderte das Unternehmen am Mittwoch dazu auf, die Staatengemeinschaft mit mehr Dosen seines Vakzins aus Werken aus Großbritannien zu versorgen. „Britische Werke sind Teil unseres Kaufvertrages und deshalb müssen sie liefern“, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Zwei der vier Werke, aus denen sich AstraZeneca zur Bereitstellung von Impfstoffen für die EU verpflichtet hat, befänden sich in Großbritannien.

Stella Kyriakides erklärte am gestrigen Nachmittag, die EU habe AstraZeneca aufgefordert, den Liefervertrag mit der Staatengemeinschaft offenzulegen. Die EU hatte sich im vergangenen August bis zu 400 Millionen Dosen des Vakzins, dessen Zulassung in der EU am Freitag erwartet wird, gesichert. AstraZeneca hatte allerdings Ende vergangener Woche einräumen müssen, wegen Produktionsengpässen in einem Werk in Belgien die zugesagte Liefermenge bis Ende März nicht einhalten zu können. EU-Angaben zufolge wird die Zahl der Impfdosen dadurch im ersten Quartal mit 31 Millionen Stück rund 60 Prozent niedriger ausfallen als geplant. Vereinbart war laut Brüssel, dass das britisch-schwedische Pharmaunternehmen den EU-Staaten bis Ende März 80 Millionen Impfdosen ausliefert.

Sind nicht beim Metzger in der Nachbarschaft

AstraZeneca-Chef Pascal Soriot sagte, die für die EU bestimmten Impfstoffe würden in vier Werken in Belgien, den Niederlanden, Deutschland und Italien hergestellt. Vertreter der EU-Kommission betonten, AstraZeneca habe keine ausreichende Erklärung geliefert, warum Impfdosen nicht aus Lagerbeständen aus Werken versandt werden könnten, in denen keine Produktionsprobleme auftraten, wie etwa in Großbritannien. Es steht zudem der Vorwurf im Raum, dass die EU-Staaten mit weniger Impfstoff vorliebnehmen müssen, während die Lieferungen für Großbritannien – wo das Mittel bereits verabreicht wird – nicht eingeschränkt seien.

Konzernchef-Chef Soriot wies das zurück und betonte, dass der Vertrag mit Großbritannien drei Monate vor der Vereinbarung mit Brüssel geschlossen worden sei. Auch dort habe es Startprobleme gegeben, aber: „Wir hatten dort drei Monate mehr Zeit, um Pannen zu beheben“, sagte Soriot der Welt. Er betonte zudem, AstraZeneca habe der EU keine festen Lieferzusagen gemacht – was Kyriakides als falsch zurückwies. Soriot zufolge hat der Arzneimittelhersteller mit der EU eine „Best Effort“-Vereinbarung, „dass wir uns im besten Sinne bemühen“, abgeschlossen. „Der Grund war, dass Brüssel mehr oder minder zum selben Zeitpunkt beliefert werden wollte wie die Briten – obwohl die drei Monate früher unterzeichnet hatten. Darum haben wir zugesagt, es zu versuchen, uns aber nicht vertraglich verpflichtet.“

Die Argumentation des Pharmakonzerns, dass die EU zurückstecken müsse, da sie erst später als Großbritannien einen Liefervertrag unterzeichnet habe, lässt die EU-Kommission nicht gelten. „Das funktioniert beim Metzger in der Nachbarschaft, aber nicht in Verträgen“, sagte die EU-Gesundheitskommissarin. Im Vertrag mit AstraZeneca sei nicht festgehalten, dass andere Kunden prioritär behandelt werden würden und die EU gegenüber dessen nachrangig beliefert werde. Es gebe keine Hierarchie, nach denen Kunden beliefert werden sollen, sagte Stella Kyriakides.

Die Kommissarin versicherte zudem, dass die EU mit ihrem geplanten „Transparenzregister“ keine Exporte von Impfstoffen aus der EU in Drittländer blockieren wolle. Es gehe lediglich darum, festzustellen, welche Teile der Produktion wohin geliefert werden. „Wir wollen Transparenz“, versicherte die Kommissarin. Die Modalitäten, wie dieses Transparenzregister angewendet wird, sollen bis Ende der Woche feststehen.

Verwirrung über Treffen mit EU

AstraZeneca hatte sich bereits in zwei Treffen am Montag vor der EU erklären müssen, warum es bei den vereinbarten Impfstofflieferungen zu Verzögerungen kommt. Diese brachten aber keine ausreichende Klarheit, die EU-Kommission verlangt inzwischen Einblick in die Daten des Konzerns. Verwirrung herrschte am Mittwoch hinsichtlich eines weiteren Treffens von AstraZeneca mit der EU. Ein Konzernsprecher versicherte jedoch, man werde sich im Tagesverlauf treffen.

Die Lieferprobleme sorgen für Unmut in Brüssel. Die Kommission steht in der Kritik, weil die Impfkampagnen in der EU etwa im Vergleich zu Großbritannien eher schleppend verlaufen. Dazu beigetragen haben auch Lieferschwierigkeiten bei dem Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer. Großbritannien hatte dieses Vakzin im Dezember als weltweit erstes Land noch vor der EU zugelassen. Der britische Premierminister Boris Johnson sagte gestern, es wäre „sehr schade“ gewesen, wenn das Vereinigte Königreich im Impfprogramm der EU geblieben wäre, statt einen eigenen Plan aufzustellen. „Ich denke, wir konnten die Dinge anders und in gewisser Weise besser machen.“ (Reuters/Red.)