BrasilienCorona-Krise macht schlechte Arbeitsbedingungen der Krankenpfleger deutlich

Brasilien / Corona-Krise macht schlechte Arbeitsbedingungen der Krankenpfleger deutlich
Krankenpfleger Hans Bossan bei der Arbeit im Ché-Guevara-Krankenhauses in Maricá Foto: AFP/Mauro Pimentel

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40 Stunden seiner 72-Stunden-Woche hat Hans Bossan schon hinter sich. Von Kopf bis Fuß in Schutzkleidung gehüllt, läuft er von einem Krankenbett zum nächsten. Der Pfleger aus Rio de Janeiro hat drei Stellen: in zwei Krankenhäusern und einer mobilen Krankenstation. Nicht erst seit der Pandemie arbeitet Bossan so viel.

Krankenschwestern und Pfleger sind in Brasilien so schlecht bezahlt, dass sie mit nur einem Job kaum eine Familie ernähren können. Im Schnitt verdienen sie 3.000 Real (540 Euro) im Monat. Die Corona-Krise macht einer breiteren Öffentlichkeit nun deutlich, wie schlecht die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte sind. „Das Krankenhauspersonal war schon immer überlastet, aber die Pandemie hat alles noch schlimmer gemacht“, sagt der 41-jährige Bossan.

Brasilien ist eines der am stärksten betroffenen Länder. Fast 40.000 Menschen sind dort bereits an Covid-19 gestorben, unter ihnen mindestens 181 Pfleger. Auch Bossan steckte sich mit dem neuartigen Coronavirus an, bei ihm verlief die Infektion jedoch ohne Symptome. „Unsere Arbeit wird viel zu wenig anerkannt. Pfleger haben direkten Kontakt mit den Kranken, mit dem Virus, wir sind an vorderster Front. Aber das ist längst nicht allen klar“, sagt Bossan. Er lebt mit seiner Frau und der zwei Jahre alten Tochter in São Gonçalo, einem armen Vorort von Rio de Janeiro.

„Es herrschen Angst und Niedergeschlagenheit“

Vergangenen Monat protestierten Pfleger in der Hauptstadt Brasilia gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen, die sie mitverantwortlich für den Tod ihrer Kollegen machen. Fast ein Drittel der vom Weltbund der Pflegekräfte weltweit registrierten 600 Todesfälle durch die Corona-Pandemie ereignete sich in Brasilien. Mehr als 80 Prozent der 2,3 Millionen Pflegekräfte in Brasilien sind Frauen. Zusätzlich zur Arbeit im Krankenhaus kümmern sie sich um ihre Familien. Nun ist auch noch die Furcht dazugekommen, sich und ihre Angehörigen anzustecken.

„Zurzeit herrschen große Angst und Niedergeschlagenheit“, sagt Nadia Mattos vom brasilianischen Bundesverband der Pflegekräfte. Die Pandemie habe die Krankenschwestern unvorbereitet getroffen. Es habe weder ausreichend Schutzkleidung noch Schulungen gegeben, klagt Mattos. „Wir bekommen weiterhin viele Beschwerden über fehlenden Schutz und schlechte Ausrüstung.“ Der Bundesverband hat eine Hotline eingerichtet, die Pflegekräften rund um die Uhr psychologische Hilfe anbietet.

Eine der drei Arbeitsstellen von Pfleger Bossan ist die Intensivstation des vor einem Monat eröffneten Ché-Guevara-Krankenhauses in Maricá, 60 Kilometer von Rio entfernt. Hier sind die Bedingungen außergewöhnlich gut: Vier Ärzte und mindestens fünf Pfleger kümmern sich um die etwa ein Dutzend Patienten mit Atemproblemen. Viele von ihnen werden künstlich beatmet und sediert. Eliane Lima jedoch ist ansprechbar. Die 56-Jährige ist Bossan und seinen Kollegen außerordentlich dankbar: „Sie sind großartig“, sagt sie unter ihrer Sauerstoffmaske. „Sie kümmern sich sehr viel liebevoll um uns.“

HTK
12. Juni 2020 - 8.22

" ....und schlechte Lebensbedingungen in den Favelas..."