AfghanistanAlle Proteste verboten, wenige Ausreisen erlaubt

Afghanistan / Alle Proteste verboten, wenige Ausreisen erlaubt
Taliban-Fahnen in der Hand, Taliban-Stirnband am Kopf: Ein Junge steht in Kabul hinter einem Kämpfer der neuen Herrscher über Afghanistan Foto: AFP/Wakil Koshar

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Die Taliban lassen erstmals seit dem US-Abzug Ausländer ausreisen. In Kabul selbst ziehen die Islamisten die Zügel an.

Zehn Tage nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan sind erstmals Ausländer an Bord eines zivilen Evakuierungsflugs außer Landes gebracht worden. Die ersten der rund 110 Passagiere, darunter auch US-Bürger und Europäer, verließen am Donnerstag in Doha eine in Kabul gestartete Maschine der katarischen Fluggesellschaft Qatar Airways, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Derweil verstärkten die radikalislamischen Taliban ihre Präsenz in den Straßen Kabuls.

Ein afghanisch-amerikanischer Doppelstaatler, der mit seiner Familie an den Kabuler Flughafen gekommen war, sagte AFP-Reportern in der afghanischen Hauptstadt, er sei erst wenige Stunden zuvor über die Ausreisemöglichkeit informiert worden. „Wir hatten Kontakt mit dem Außenministerium, das mich heute Morgen anrief und mir sagte, ich solle mich zum Flughafen begeben.“

Der katarische Sondergesandte für Afghanistan, Mutlak al-Kahtani, sprach von einem „historischen Tag“ für den Kabuler Flughafen. Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur „Wiedereröffnung des Flughafens für internationale Flüge“. Nach der Landung in Doha dankte Außenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani den Taliban für ihre „Kooperation“. Das Weiße Haus in Washington nannte das Verhalten der Taliban in diesem Fall „professionell“.

Mehr Taliban in den Straßen

Die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban gestarteten Evakuierungsflüge aus Kabul waren Ende August mit dem Abzug der US-Truppen eingestellt worden. Über die internationale Luftbrücke waren binnen weniger Wochen etwa 123.000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen worden. Aber nicht alle ausreisewilligen Ausländer und gefährdeten Afghanen wurden rechtzeitig außer Landes gebracht. Dies hatte international heftige Kritik an dem chaotischen Abzug der internationalen Truppen ausgelöst.

Katar ist in der Afghanistan-Krise ein Schlüssel-Akteur. In dem Golf-Staat fanden 2020 die Verhandlungen zwischen den Taliban und der US-Regierung über einen Truppenabzug aus Afghanistan statt. Später wurden in Katar die Verhandlungen zwischen der Miliz und der damaligen afghanischen Regierung geführt.

Nach der Aufnahme ihrer Regierungsarbeit am Mittwoch verboten die Taliban derweil alle Proteste „bis auf Weiteres“. Wer dagegen verstoße, müsse mit „strengen rechtlichen Schritten“ rechnen, erklärten sie. Zuvor war es in mehreren Städten des Landes zu einzelnen Demonstrationen gegen die neuen Machthaber am Hindukusch gekommen.

Kundgebungen wurden daraufhin am Donnerstag von den Organisatoren aus Angst abgesagt. Die Taliban erhöhten die Präsenz ihrer Sicherheitskräfte auf den Straßen von Kabul deutlich, wie AFP-Journalisten berichteten.

Die UNO kritisierte den harten Kurs gegen Menschen- und Frauenrechte, den die Taliban trotz aller Versprechungen offenbar einschlagen. So wird Frauen das Arbeiten verboten beziehungsweise Frauen bekommen ihre Gehälter einfach nicht gezahlt, wie die in Kabul ansässige UN-Frauenrechtlerin Alison Davidian sagte. „Wir erhalten jeden Tag Berichte über Rückschritte bei den Frauenrechten.“

Die Taliban hatten versichert, ihre Herrschaft werde sich von ihrer Zeit an der Macht in den 1990er Jahren unterscheiden. Damals mussten Afghaninnen zu Hause bleiben, die meisten Unterhaltungsangebote waren verboten und es wurden Strafen wie Steinigungen und öffentliche Hinrichtungen verhängt. Speziell zu Frauenrechten erklärten die Islamisten nun, diese würden „im Rahmen des Islam“ respektiert. Am Dienstag hatten die Taliban ihre neue Regierung für Afghanistan vorgestellt. Im Kabinett finden sich ausschließlich Männer mit langjähriger Zugehörigkeit zu der islamistischen Bewegung. (AFP)