KonfliktAfrikanische Union fordert Waffenruhe in Nord-Äthiopien

Konflikt / Afrikanische Union fordert Waffenruhe in Nord-Äthiopien
Milizionäre in der abtrünnigen Region Tigray Foto: AFP/Eduardo Soteras

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Die Afrikanische Union (AU) hat einen sofortigen Waffenstillstand in Nord-Äthiopien gefordert. AU-Chef Moussa Faki Mahamat appellierte gestern an die Konfliktparteien, die Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen sowie „die Menschenrechte zu respektieren und den Schutz der Zivilbevölkerung zu garantieren“.

Äthiopische Regierungstruppen nahmen unterdessen den strategisch wichtigen Flughafen in Humera im Nordosten des Landes an den Grenzen zum Sudan und zu Eritrea ein, wie der staatsnahe Fernsehsender Fana TV berichtete. Bei Luftangriffen und Kämpfen am Boden in der abtrünnigen Region Tigray sind mittlerweile Hunderte Menschen ums Leben gekommen.

In der Region im Norden des Landes liefert sich die Zentralregierung in Addis Abeba seit Jahren einen Konflikt mit der dort regierenden Tigray Volks Befreiungsfront TPLF. Dabei geht es um ethnische Spannungen zwischen den Tigrayern, die das Land über Jahrzehnte kontrolliert hatten, und Ministerpräsident Abiy Ahmed, ein Oromo, die größte ethnische Gruppe des Landes. Wegen der Eskalation wachsen auch Befürchtungen, dass nicht nur Äthiopien mit seinen 110 Millionen Bewohnern, sondern die gesamte Region am Horn von Afrika destabilisiert werden könnte. Die Vereinten Nationen warnen bereits vor einer Flüchtlingskrise im Norden und Engpässen bei der Versorgung der Bevölkerung.

Einige Äthiopier, darunter auch Soldaten, sind bereits in den Sudan geflohen, wie Augenzeugen und Sudans Staatsmedien berichteten. Laut Fana TV kontrollierten Regierungstruppen am Dienstag die Straße von Humera in Richtung sudanesische Grenze. Zahlreiche Tigray-Kämpfer hätten sich ergeben. Die Äthiopische Presseagentur zeigte Fotos, auf denen Regierungssoldaten am Flughafen der Stadt zu sehen sind. In der Stadt selbst geht das öffentliche Leben nach Regierungsangaben normal weiter. Ausländische Presse hatte am Dienstag keinen Zugang zu Tigray, weshalb Reuters die Angaben nicht überprüfen konnte. Am Montag hatten Reuters-Reporter in dem Gebiet Lastwagen mit Milizen und Pick-ups mit Maschinengewehren gesehen.

„Eine souveräne Nation“

Ministerpräsident Abiy ließ Vorwürfe zurückweisen, er nehme internationale Appelle zur Zurückhaltung in dem Konflikt nicht ernst. Seine Sprecherin erklärte, Abiy habe die Stellungnahmen zur Kenntnis genommen und sei dankbar für die geäußerten Sorgen über die Zukunft des Landes. „Nichtsdestotrotz ist Äthiopien eine souveräne Nation, und die Regierung wird letztlich Entscheidungen im langfristigen Interesse des Landes und seiner Bevölkerung treffen“, schrieb Sprecherin Billene Seyoum in einer E-Mail. Sie reagierte damit auf Anfragen wegen Vorwürfen aus diplomatischen Kreisen, wonach Abiy in dem Konflikt „auf niemanden höre“.

Der Konflikt war vergangene Woche wieder ausgebrochen. Abiy ist seit April 2018 Ministerpräsident Äthiopiens. Der von ihm gebildeten Einheitsregierung trat die TPLF seinerzeit nicht bei. Die Spannungen nehmen seit September wieder zu, als in Tigray gewählt wurde, was die Zentralregierung als illegal bezeichnete. Seitdem werfen sich beide Seiten vor, einen militärischen Konflikt heraufzubeschwören. Abiy wurde für seine Bemühungen um eine Aussöhnung mit dem benachbarten Eritrea 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Er hat Äthiopien zudem wirtschaftlich und politisch geöffnet, die ethnischen Unruhen aber nicht in den Griff bekommen. (Reuters)