ViruserkrankungAffenpocken breiten sich in Europa aus – immer mehr Fälle bekannt

Viruserkrankung / Affenpocken breiten sich in Europa aus – immer mehr Fälle bekannt
Eine Frau arbeitet im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Das Institut hat auch erstmals in Deutschland bei einem Patienten das Affenpockenvirus zweifelsfrei nachgewiesen. Foto: Martin Bühler/Bundeswehr/dpa

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In mehreren europäischen Ländern sind erste Fälle von Affenpocken festgestellt worden. Neben Belgien meldeten am Freitag auch Deutschland, Frankreich und Australien erste Fälle.

Affenpocken treten hauptsächlich in West- und Zentralafrika auf und nur sehr selten andernorts, was die gegenwärtigen Ausbrüche ungewöhnlich macht. Seit Anfang Mai werden zunehmend Fälle in Europa festgestellt. Infektionen waren bereits in Großbritannien, den USA und Portugal bekanntgeworden. Spanien, Italien und Kanada meldeten am Donnerstag die ersten Infektionen. Nach Einschätzung des Sanitätsdienstes der deutschen Bundeswehr handelt es sich um den bislang größten und weitreichendsten Ausbruch von Affenpocken in Europa. Der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität in München schätzt die Gefahr einer größeren Epidemie in Europa aber als gering ein. „Auch die Möglichkeit eines Übertritts des Virus in Tierreservoirs in Europa erscheint unwahrscheinlich.“

Das von der UK Health Security Agency (UKHSA) zur Verfügung gestellte Bild zeigt Hautläsionen bei Patienten, bei denen Affenpocken nachgewiesen wurden
Das von der UK Health Security Agency (UKHSA) zur Verfügung gestellte Bild zeigt Hautläsionen bei Patienten, bei denen Affenpocken nachgewiesen wurden Foto: UKHSA/dpa

Zu den Symptomen gehören Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten sowie Hautausschläge, die meist im Gesicht beginnen und sich auf den Rest des Körpers ausbreiten. Das Virus wurde 1958 erstmals bei Affen gefunden – sie gelten aber als Fehlwirt, Nagetiere dagegen als Hauptwirt. Im Gegensatz zu den seit 1980 ausgerotteten Menschenpocken verlaufen Affenpocken in der Regel deutlich milder. Allerdings können auch schwere Verläufe auftreten. Bei Kindern unter 16 Jahren, die mit der zentralafrikanischen Variante infiziert sind, beobachtet man laut dem deutschen Robert-Koch-Institut eine Sterblichkeit von bis zu elf Prozent.

In Belgien wurden am Freitag zwei erste Fälle der Virusinfektion bekannt. Frankreich bestätigte einen ersten Fall in der Region Paris, nachdem am Donnerstagabend ein erster Verdachtsfall gemeldet wurde. In Spanien stieg die Zahl der Infektionen derweil um 14 auf insgesamt 21 Fälle, wie die Behörden in Madrid mitteilten. In Italien wurden zwei weitere Fälle entdeckt. Damit stieg die Zahl der bestätigten Infektionen dort auf drei. In Portugal erhöhte sich die Zahl der Fälle um neun auf insgesamt 23, in Großbritannien um elf auf 20. In Deutschland wurde gestern erstmals ein Fall zweifelsfrei nachgewiesen. Es handelt sich um einen 26-jährigen Mann, der aus Brasilien stammt, und von Portugal über Spanien nach Deutschland eingereist ist. Seit etwa einer Woche hält er sich in München auf.

Auch Australien meldete am Freitag einen ersten Fall von Affenpocken bei einem männlichen Reisenden, der vor kurzem aus Großbritannien zurückgekehrt war. Ein weiterer Verdachtsfall bei einem Mann, der ebenfalls kürzlich nach Europa gereist war, wird noch geprüft. In Kanada wurden zwei Fälle in der Provinz Québec gemeldet, die ersten bestätigten Infektionen in dem Land. Die Behörden gehen zudem 17 Verdachtsfällen nach.

Übertragung

Das Virus wird von Tieren, vermutlich vor allem von Nagetieren, auf Menschen übertragen. Übertragungen von Mensch zu Mensch sind selten, aber bei engem Kontakt möglich – etwa durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf der Affenpocken-Infizierten. Eine Übertragung ist auch durch Atemsekrete bei sehr engem Kontakt möglich. Die Inkubationszeit für Affenpocken beträgt zwischen sieben und 21 Tagen. Die Übertragung gibt Experten bei den aktuellen Ausbrüchen Rätsel auf, denn eine Reihe der Fälle im Vereinigten Königreich stehen in keinem bekannten Zusammenhang miteinander. Nur der erste Fall, der Anfang Mai gemeldet wurde, war kürzlich nach Nigeria gereist.

Die britische Gesundheitsbehörde wies darauf hin, dass die jüngsten Fälle vor allem Männer betrafen, die sexuellen Kontakt mit anderen Männern haben. Das Robert-Koch-Institut riet dazu, bei verdächtigen Symptomen – insbesondere bei Reiserückkehrenden aus (West-)Afrika – eine Affenpockeninfektion in Betracht zu ziehen. Dies gelte aber auch für Personen ohne Reisehintergrund mit unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen angesichts der berichteten Fälle bei Männern, die Sex mit Männern haben.

Warum jetzt?

Ein möglicher Grund für den Anstieg der Fälle könnte die zunehmende Reisetätigkeit nach Aufhebung der meisten Corona-Beschränkungen sein, sagt Jimmy Whitworth, Professor für internationale öffentliche Gesundheit an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Nach Einschätzung von Anne Rimoin, Epidemiologin an der UCLA in Kalifornien, hat das Ende von Pockenimpfungen, die auch gegen Affenpocken schützen, zu einem Anstieg der Affenpockenfälle in Gebieten geführt, in denen die Krankheit endemisch ist. Es sei wichtig, die neuen Fälle dringend zu untersuchen, da „sie auf einen neuen Verbreitungsweg oder eine Veränderung des Virus hindeuten könnten, aber das muss alles noch ermittelt werden“, sagt sie.

Grund zu Panik sehen Experten aber nicht: „Die Fälle über Kontaktverfolgung sind gut einzugrenzen, und es gibt auch Medikamente und wirksame Impfstoffe, die gegebenenfalls eingesetzt werden können“, sagt Fabian Leendertz, Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health im deutschen Greifswald.