ÖsterreichAbsturz eines Kometen – Sebastian Kurz tritt als Kanzler zurück

Österreich / Absturz eines Kometen – Sebastian Kurz tritt als Kanzler zurück
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Ein paar Tage lang wehrte er sich verbissen, schloss einen Rücktritt „selbstverständlich“ aus und fragte sich, warum „immer ich schuld sein soll“. Dann aber wurde der Druck auf Sebastian Kurz zu groß, wogen die Korruptionsvorwürfe zu schwer: Am Samstagabend zog der 35-Jährige die Reißleine und erklärte in Wien seinen Rücktritt vom Amt des österreichischen Bundeskanzlers.

Er wolle „Platz machen, um Chaos zu verhindern und Stabilität zu gewährleisten“, erklärte er – und wies zugleich alle Vorwürfe im Zusammenhang mit der sogenannten Inserate-Affäre von sich. Der Schritt zum Rücktritt falle ihm nicht leicht, sagte er – aber: „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person.“

Damit findet die kometenhafte Karriere von Sebastian Kurz vorerst ein abruptes Ende. Hatte Kurz die Ibiza-Affäre von 2019, die seinen rechtspopulistischen Koalitionspartner FPÖ in den Abgrund riss, noch relativ unbeschadet überstanden, so konnten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Kurz und weitere Verdächtige wegen des Verdachts der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung nicht mehr mit bloßem Abstreiten beiseite geschoben werden.

Das Aus für Kurz brachte dann wohl die klare Positionierung des grünen Koalitionspartners: Grünen-Fraktionschefin Sigrid Maurer erklärte den jungen Kanzler schlicht für „nicht mehr amtsfähig“ und forderte von der ÖVP, ihn durch „eine untadelige Person“ zu ersetzen.

Kurz musste wohl fürchten, dass die Grünen im Parlament den Misstrauensantrag der Opposition unterstützen würden. Dem kam er mit seinem Rücktritt am Samstagabend zuvor. Die Grünen beschuldigte er, „unverantwortlich“ zu riskieren, dass Österreich nun „in Monate des Chaos“ schlittere.

Jahrelang hatten nicht nur in Österreich, sondern auch in konservativen Kreisen in Deutschland viele bewundernd den steilen Aufstieg des smarten Jungstars verfolgt. „Wunderwuzzi“ oder einfach „Messias“ wurde er von seinen Anhängern genannt, aber auch „Orban im Werden“ von seinen Kritikern, die ihn auf einer Höhe mit dem umstrittenen ungarischen Regierungschef Viktor Orban sahen.

Die Karriere von Kurz verlief wie im Zeitraffer: Geboren am 27. August 1986 als Sohn einer Lehrerin und eines Ingenieurs in Wien, schließt er sich schon als Schüler der Jungen ÖVP an und wird 2009 ihr Bundesvorsitzender. Mit 24 Jahren wird der dezidiert konservative Politiker Staatssekretär und gibt sein Jurastudium auf, um in die Politik zu gehen.

Mit 27 Jahren übernimmt Kurz im März 2014 ohne jede außenpolitische Erfahrung das Außenministerium – und macht auf diplomatischem Parkett eine gute Figur. In der Flüchtlingskrise gibt er sich als Hardliner: Er kritisiert die deutsche Willkommenskultur, setzt in Österreich eine Obergrenze für Flüchtlinge und schließlich die Schließung der Balkanroute durch.

2017 übernimmt er die Führung der konservativen ÖVP und führt als Parteichef den Bruch der großen Koalition mit der SPÖ herbei. Mit der „Liste Kurz“ gewinnt er die Wahl und wird im Dezember 2017 jüngster Regierungschef in Europa.

Nicht eingepreist war dann im Karriereplan sicherlich das frühe Aus seiner Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ. Die Regierung platzte im Mai 2019 wegen des Ibiza-Skandals rund um den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Kurz schaffte es, aus der Affäre weitgehend ohne Kratzer herauszukommen, im September 2019 erneut einen Wahlsieg einzufahren und dann mit den Grünen die politische Ehe einzugehen.

Während einige seiner Bewunderer seine rhetorische Gewandtheit und Raffinesse preisen, sehen ihn seine Kritiker eher auf den Spuren Orbans. Kurz‘ Ablehnung des UN-Migrationspakts, Sozialabbau für Asylbewerber und eine Reihe anderer Anti-Migrationsmaßnahmen haben ihn in den Augen seiner Gegner zu einer ähnlich umstrittenen Figur gemacht.

Aber das Ende seiner politischen Karriere bedeutet der Rücktritt vom 9. Oktober 2021 wohl nicht. Kurz kündigte an, er werde „als Parteiobmann und als Klubobmann ins Parlament zurückkehren“ und dann die gegen ihn erhobenen Vorwürfe widerlegen. „Diese Vorwürfe stammen aus dem Jahr 2016, sie sind falsch und ich werde das auch aufklären können“, sagte er.

Poulli
12. Oktober 2021 - 9.05

Kurz ass Champion an der Korruptioun, ësou wéi nach vill aaner Politiker an EU-Bonzen. Onerträgléch an ekelhaft.

HTK
10. Oktober 2021 - 9.11

"..eine untadelige Person." Tja das wird schwierig. Wo sind die Untadeligen dieser Welt? Putin,Kim,Trump,Bolsonaro,der Sultan vom Bosporus..?? Die Liste ist lang. Man stelle sich vor die (noch) freie Presse dieser Welt würde es nicht geben. Die Wähler glaubten an eine Demokratie die es so gar nicht gäbe. Kurz ist nicht der erste Überflieger der nach kurzem Höhenrausch abstürzt und sei es nur durch die eigene Arroganz. So n'Schmarrn.

Gaston von Kurz und Gut
10. Oktober 2021 - 8.13

Kurzes Kommentar zu Kurz. Das « Östrex »ist vorbereitet und Kurz kann jetzt etwas kurz treten um dann in Kürze den Wunsch der Mehrheit seiner ihre Freiheit liebenden Österreicher kurzfristig zu erfüllen. Orban sei bei dieser Gelegenheit kurz gegrüsst.

Grober J-P.
10. Oktober 2021 - 0.03

"rhetorische Gewandtheit und Raffinesse." Mein Freund Herbert aus Innsbruck hat Recht behalten. " Reden kann er, der junge Opportunist, aber sagen tut er nix, er wird noch über seine eigene Arroganz stolpern."