„Index, sozialer Fortschritt, Mitsprache“

„Index, sozialer Fortschritt, Mitsprache“
(Pierre Matgé)

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Wie dies seit einigen Jahren der Fall ist, wird der politische Teil der 1.-Mai-Feier beim OGBL vorgezogen. Dies geschah am Montagabend im "Tramsschapp" auf Limpertsberg.

Vor gut gefülltem Saal begrüßte Reding Delegierte aller OGBL-Strukturen, die als Vertreter der 66.000 Mitglieder in die Stadt Luxemburg gekommen waren.
Der Gewerkschaftspräsident begann seine Intervention mit einem Verweis auf den Index und dessen Bedeutung für Luxemburg. Das Instrument sei ein Stück Luxemburg, das dem Land nicht geschadet habe, sondern der Bevölkerung in schwierigen Zeiten geholfen habe, zusammenzuhalten.

Seine Deckelung, Manipulation oder Abschaffung ändere nichts an den Staatsfinanzen und an der Wirtschaftskrise, sondern schaffe Unsicherheit und Konflikte.
Seit fünf Jahren stecke Europa in einer Krise, die mittlerweile einen politischen Charakter habe. Sie sei inzwischen auf Entwicklungsländer übergeschwappt und lähme die Anstrengungen, die unternommen werden müssten, um aus der ökologischen Krise herauszufinden.

Keine Reformen umgesetzt

Als Gründe für die aktuelle Situation nannte Reding die Deregulierung des Finanzsektors, aber auch die wirtschaftliche Deregulierung ohne soziale Regeln, ohne Rücksicht auf soziale und umweltpolitische Konsequenzen. Das Gleiche gelte für die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes ohne Ausbau der sozialen Dimension.

Zu Beginn der aktuellen Krise sei versprochen worden, den Kurs zu ändern, den Finanzsektor zu regulieren, der Spekulation einen Riegel vorzuschieben, Konjunkturprogramme aufzulegen … Allerdings seien keine Reformen zum Schutz der Menschen umgesetzt worden. Die desaströse Privatisierungspolitik, die Zerstückelung von öffentlichen Betrieben und Dienstleistungen sei munter weitergegangen. Auch die Angriffe auf die soziale Absicherung, so Reding, rissen nicht ab.

Mehr Armutsrisiko

Die Ungleichheiten haben in ganz Europa zugenommen, das Armutsrisiko sei gestiegen, so der OGBL-Präsident; dies auch in Luxemburg. Dass zwei Jahre nach Krisenbeginn überall auf Austerität gesetzt wurde, dies trotz Warnungen der Gewerkschaften und von Wirtschaftswissenschaftlern, habe weiter in die Krise geführt. Die Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahren gegen diese Politik mobilisiert.

In Luxemburg wolle Juncker im kommenden Jahr „nur“ noch 250 Millionen sparen: Auf wessen Kosten sei nicht klar. Die Austeritätspolitik sei aber noch nicht vorbei. Die EU-Agenda sei nicht geändert worden, die Haltung des Patronats habe sich nicht geändert; deshalb müsse der OGBL weiter zur Gegenwehr bereit sein. So sei auch der Kampf um den Index nicht vorbei. Der CSV-Vorstoß für einen gedeckelten Index sei populistische Demagogie und der Weg zur Abschaffung des Index. Die angekündigte Mehrwertsteuer-Erhöhung treffe besonders die kleinen Einkommen; eine Vermögenssteuer, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes seien kein Thema. In jedem Fall müsse eine TVA-Erhöhung durch den Index aufgefangen werden.

Erhöhung des Kindergeldes

Reding ging weiter auf die Einschnitte im Gesundheitswesen, auf die voraussichtlich steigenden Beiträge der Pflegeversicherung sowie auf die Desindexierung des Kindergeldes seit 2006 ein. Eine Erhöhung dränge sich hier auf.

Auch der Rentenklau vom 1. Januar sei nicht vergessen, so Jean-Claude Reding weiter. Die Anpassung von 1,5 Prozent sei geschuldet gewesen, das Geld war und ist vorhanden. Vom Recht auf Teilzeitarbeit oder Teilzeitrente gehe keine Rede mehr. Die Absicherung jener Beschäftigten, die lange Jahre Nachtarbeit verrichteten, sowie älterer Arbeitnehmer wurde zwar versprochen, es geschah aber laut OGBL noch nichts.

Druck steigt

Der Druck auf die Beschäftigten sei hingegen in den Betrieben gewachsen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen habe zugenommen: Besonders jene Menschen über 50 haben Probleme, einen neuen Job zu finden. Deshalb sei es unverständlich, die „Aide au réemploi“ zu verschlechtern. Auch die Abschaffung der „préretraite solidarité“ gehe in die falsche Richtung.

Die Jugendarbeitslosigkeit sei nicht dadurch zu lösen, dass junge Menschen, die eine andere Qualifikation haben, eine Beschäftigung in der Gastronomie finden sollen. Ein Kollektivvertrag in der Branche würde sicherlich helfen, dass sich mehr Jugendliche für einen Job in der Gastronomie interessierten. In der Berufsausbildung müsse stark nachgebessert werden, so Reding weiter, der auch die Schulreform kritisch beleuchtete.

Bauwesen vor einem Konflikt

Die Lohnpolitik betreffend forderte Reding u.a. eine weitere regelmäßige Anpassung der Mindestlöhne und die Anerkennung der Berufserfahrung. Abschließend ging er kurz auf die Lage in der Stahlindustrie und am Bankenplatz ein. Der Verkauf der BGL-Anteile sei ein falscher Schritt.

Ein Konflikt im Bausektor sei nur noch durch einen Vorschlag der Unternehmer zu verhindern, der den Lohnrückstand der vergangenen Jahre berücksichtige und keine negative Flexibilisierung der Arbeitszeiten vorsehe. Allgemein bessere Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz und ein besserer Sozialdialog in den Betrieben nannte Reding als weitere Forderungen.
Bei den anstehenden Sozialwahlen möchte der OGBL seine Position weiter stärken.

Der OGBL werde seine Positionen weiter offensiv verteidigen, so der Präsident abschließend.