In den Straßen von Belfast herrscht Krieg

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Die Ausschreitungen in der nordirischen Hauptstadt Belfast nehmen kein Ende. Am Samstag und in der Nacht zum Sonntag sind mindestens 29 Polizisten verletzt worden.

Nach 40 Tagen gewalttätiger Proteste in Nordirland mit vielen Verletzten haben die Straßenkämpfe in Belfast am Wochenende einen neuen Höhepunkt erreicht. Allein am Samstagabend wurden im Streit um das Hissen der britischen Flagge auf dem Rathaus 29 Polizisten verletzt, vier davon schwer. Um einen Ausweg aus der Krise zu finden, wollen der pro-britische nordirische Ministerpräsident Peter Robinson und sein pro-irischer Stellvertreter Martin McGuinness sich in der kommenden Woche mit dem irischen Außenminister Eamon Gilmore und der britischen Nordirland-Ministerin Therese Villiers treffen.

„Wir geben nicht auf in unserem Kampf für eine Gesellschaft, in der alle in Frieden leben können“, sagte Robinson am Sonntag in der BBC. Nach einer friedlichen Demonstration im Zentrum Belfasts hatten gewaltbereite Loyalisten die vorgegebene Rückmarschroute verlassen und sich Kämpfe mit pro-irischen Nationalisten geliefert. Die Polizei griff mit Wasserwerfern und Gummigeschossen ein. Die Demonstranten warfen Brandsätze und Steine und setzten Autos und Busse in Brand.

100 verletzte Polizisten

Seit Anfang Dezember wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 100 Polizisten bei den Ausschreitungen verletzt. Auslöser für die neue Gewalt ist eine Entscheidung des Stadtrates vom 3. Dezember. Mit der Mehrheit der pro-irischen Nationalisten und der gemäßigten überkonfessionellen Alliance Partei wurde beschlossen, dass die britische Flagge nicht mehr 365 Tage im Jahr über dem Rathaus wehen soll, sondern nur noch an ausgewählten Tagen. Pro-britische Unionisten und Loyalisten, einst unangefochten an der Macht, sehen darin einen weiteren Schritt hin zur politischen Übermacht der katholischen Nationalisten – die sie nicht hinnehmen wollen.

Mehrheit ist friedlich

Am Sonntag gingen in Belfast mehrere hundert Menschen zu einer Friedensdemonstration auf die Straße. Die große Mehrheit der Belfaster Bevölkerung identifiziere sich nicht mit den Randalierern, sagte die Stadträtin Laura McNamee von der Alliance Partei der dpa. „Die allermeisten Leute hier wollen einfach in Frieden leben.“ Sie äußerte ebenso wie Polizeichef Matt Baggott den Verdacht, dass die gewalttätigen Demonstranten von früheren Kadern der rechten Terrororganisation Ulster Voluntary Force (UVF) angestachelt werden.

Viele der loyalistischen Demonstranten sehen den Flaggenstreit als Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die protestantischen Loyalisten, früher bestimmende politische Kraft in Nordirland, sehen sich seit dem Karfreitagsabkommen von 1998 auf dem politischen Abstellgleis. „Wir fühlen uns als Bürger zweiter Klasse“, sagte der Chef der unionistischen Partei PUP, Billy Hutchinson. Es gehe nicht um die Flagge an sich, sondern um die Weise, wie die Entscheidung zustande gekommen sei. „Wir müssen die Art ändern, wie in Nordirland Politik gemacht wird“, sagte er.