Ihr Leben ist in Gefahr

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Sie war an den Kindermorden ihres Mannes Marc Dutroux beteiligt, die ganz Belgien erschütterten. Nun wird die Frau vorzeitig aus der Haft entlassen. Sie geht ins Kloster. Es gibt viel Protest - und damit das nicht noch einmal passiert, werden bald die Gesetze geändert.

Eigentlich ist die Freiheit nur noch eine Formsache. Für Belgiens wohl meistgehasste Frau, die Ex-Gattin des Kindermörders Marc Dutroux, wird aller Voraussicht nach an diesem Dienstag die Haft enden. Nach 16 Jahren hinter Gittern, obwohl sie als Mittäterin ihres Ehemannes zu 30 Jahren verurteilt worden war. Sollte das oberste Berufungsgericht des Landes, angerufen von den Familien der Dutroux-Opfer, am Dienstag in Brüssel in letzter Minute die Freilassung doch noch stoppen, so wäre das eine Sensation. Zu erwarten ist das angesichts der Rechtslage nicht.

Im Kloster der „Armen Schwestern der heiligen Klara von Assisi“ in Malonne bei Namur ist für die 52-Jährige bereits ein Bett bereitet. Die elf betagten Nonnen waren die einzigen, die sich zur Aufnahme der Verurteilten bereiterklärten. Im Seitentrakt des riesigen Klostergebäudes steht eine Wohnung bereit. „Sie ist ein menschliches Wesen und wie wir alle des Besten und des Bösesten fähig“, formulierte die Äbtissin. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Eine Schwester des vor 800 Jahren gegründeten Ordens wird sie aber nicht. „Das war weder ihr Wunsch noch unserer“, sagte die Äbtissin.

30 Leibwächter

30 Bundespolizisten müssen nun rund um die Uhr das Kloster der Klarissinnen bewachen – um zu verhindern, dass sich der belgische Volkszorn über die vorzeitige Freilassung der Inhaftierten Bahn bricht. Denn kein Kriminalfall hat Belgien so erregt, so wütend gemacht und so erschüttert wie die „Affäre Dutroux“.

Schon 1989 war Dutroux wegen Entführung, Folter und Vergewaltigung zu dreizehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, seine Frau als Mittäterin zu fünf Jahren. Sie war schon 1991 wieder frei, er ein knappes Jahr später. Danach kamen die beiden immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt, wurden beobachtet – ergebnislos. Zwischen Juni 1995 und August 1996 verschwanden dann sechs Mädchen. Dutroux hatte für seine Opfer im Keller ein geheimes Verlies gebaut. Dort wurden immerhin zwei der Mädchen noch lebend gerettet, nachdem Dutroux festgenommen worden war.

Skepsis bei den Familien der Opfer

Der Name Dutroux steht nicht nur für brutale Verbrechen – auch einen Freund brachte er unabhängig von den Mädchenmorden um – , sondern auch für unfähige Justizbehörden und schlampige Polizeiarbeit. Dass Polizisten bei der Suche nach Diebesgut in der Dutroux-Wohnung Hilfeschreie von Mädchen hörten, aber keine Mädchen fanden, gehört dazu. Es waren die Mädchen Julie und Mélissa, die die Ehefrau von Dutroux dann jämmerlich verhungern ließ.

„Das ist eine Wiederholungstäterin“, meint Jean-Denis Lejeune, Vater der toten Julie, über die Gefangene. Dass sie Dutroux verfallen und praktisch willenlos gewesen sei, glaubt er nicht. „Er war gar nicht da, als die Mädchen in dem Verlies starben. Sie hätte sie befreien können“, sagte er der Zeitung „Le Soir“. Und er habe kein einziges Wort des Bedauerns gehört.

Fast 300 000 Menschen waren 1996 in ganz Belgien wegen der „Affäre Dutroux“ auf die Straße gegangen – weil das Grundvertrauen in Gerechtigkeit und das Funktionieren des Staates zu schwinden drohte. Nachdem sich jetzt wieder 5000 Menschen in Brüssel versammelten und gegen die Freilassung der Mittäterin protestierten, kündigte die Regierung Gesetzesänderungen an. Regierungschef Elio Di Rupo empfing am Freitag Lejeune und Paul Marchal, den Vater eines anderen Opfers, und bekundete Verständnis für deren Protest: „Die abscheulichen Verbrechen sind in unserer Erinnerung noch sehr wach.“

Vorzeitige Entlassung demnächst nicht mehr möglich

Eine Haftentlassung nach Verbüßung von einem Drittel der Strafe soll es künftig „in besonders schweren Fällen“ nicht mehr geben. Wiederholungstäter sollen frühestens nach zwei Dritteln der Strafe freikommen können. Und auch die Angehörigen der Opfer sollen gehört werden, wenn es um die Bedingungen geht, die an die Freilassung geknüpft sind. Rückwirkend wird all das aber nicht gelten.

Der älteste Sohn des Ehepaares Dutroux, Frédéric (28), räumt ein, die vorzeitige Freilassung seines Vaters wäre «deplaziert». Doch seine Mutter sei nicht das Monster, das die Medien aus ihr machten: „Ich habe Angst, dass ein Verrückter ihre Freilassung abwartet und sie dann umbringt. Das wäre eine sehr dumme Weise, zu sterben.“ Seinen eigenen Nachnamen hat er ändern lassen: Dutroux ist ein verhasster Name in Belgien.