/ "Ich verkaufe meine Seele nicht"

Saki Abdel Asis hatte seit über einer Woche keine Arbeit mehr und kaum noch Geld, wie Millionen andere Ägypter, seit die Protestwelle im Land das Wirtschaftsleben lahmlegt. Seine Frau und die drei Kinder waren hungrig, müde und nervös. Sie hatten nur noch 100 Pfund (rund zwölf Euro) im Haus und keine Möglichkeit, noch etwas zu borgen. Da kam am Dienstagabend ein unheimlicher Anruf.
„Der Mann fragte mich: ‚Saki, du hast seit einer Woche nicht gearbeitet, stimmt’s? Du hast kein Geld mehr?'“, erinnert sich der 45-Jährige. „Er sagte: ‚Komm morgen, und du kriegst 100 Pfund und eine Tüte Lebensmittel. Du musst dich nur mit uns gegen diese Verräter auf dem Tahrir zusammentun.'“ Abdel Asis, angestellt bei einer Behörde, wies das Ansinnen empört zurück. „Ich habe Hunger, aber ich verkaufe doch meine Seele nicht für etwas zu essen.“
Am Mittwoch stürmten Anhänger von Präsident Hosni Mubarak auf den Tahrir-Platz im Zentrum Kairos und lieferten den Demonstranten dort heftige Kämpfe. Regimegegner erheben den Vorwurf, dass Angreifer dafür bezahlt wurden, sie zu attackieren.
Niedrige Löhne und steigende Kosten
Seit Beginn der Proteste gegen Mubarak am 25. Januar haben Unternehmen, Fabriken, Banken und die Börse geschlossen, der Handel kann die Regale nur noch eingeschränkt auffüllen. Drei Tage nach Monatsanfang waren vielfach die Löhne noch nicht ausgezahlt, die Mieten aber trotzdem fällig. Die Preise einiger Güter des täglichen Bedarfs sind um über 50 Prozent gestiegen, andere gibt es gar nicht mehr zu kaufen.
Bereits vor der Protestwelle klagten die Ägypter über niedrige Löhne und steigende Kosten. Die Teuerungsrate von jährlich rund 17 Prozent bei Lebensmitteln dürfte ein kritischer Punkt bleiben, auch wenn Mubarak zurücktritt. Die Unruhen haben das Problem nur noch verschärft.
Lebensmittelpreise teilweise vervierfacht
Grundnahrungsmittel wie Brot, Linsen und Reis sind in einigen Vierteln bis zu 80 Prozent teurer geworden. Anderswo sind die billigen einheimischen Nudeln kaum noch zu bekommen. Manche Zigarettenmarken kosten mindestens 50 Prozent mehr. Einwohner von Ma’sara, einem armen Viertel nahe dem berüchtigten Torah-Gefängnis in Kairo, beschweren sich, dass es auf dem lokalen Markt nur noch Kartoffeln, Tomaten und Zwiebeln gibt und die Preise sich beinahe vervierfacht haben.
Die Engpässe und Preissteigerungen erschweren noch die wirtschaftliche Notlage, die für Demonstranten einer der wichtigsten Beweggründe für den Protest waren. Doch sie fachen auch den Zorn sowohl auf die Regierung als auch auf die Demonstranten weiter an.
Auständische stoßen auf Unverständnis
So mancher Ägypter verliert allmählich die Geduld mit den Protestierern und findet, Mubaraks Verzicht auf eine weitere Amtszeit sei doch schon ein grosses Zugeständnis. „Es reicht“, erklärt der Mechaniker Mamduh Sweilam, seit Ausbruch der Unruhen arbeitslos. „Genau wie sie will ich auch leben und anständig verdienen können. Aber das ist kein Leben“, ärgert er sich. „Die Hoffnung auf Demokratie bringt uns jetzt kein Essen auf den Tisch.“
Die Hausfrau Rim Nasser ist schon frühmorgens in Kairo unterwegs, um Läden zu suchen, die wieder geöffnet und ihre Bestände aufgefüllt haben. „Wir haben geduldig 30 Jahre lang gewartet, dass sich etwas ändert“, gibt sie die Haltung der Gegendemonstranten wieder, „da können wir jetzt auch noch ein bisschen länger warten.“
- „Jahr des Umbruchs“ – Luxemburger Armee feiert Sankt Martin - 8. November 2017.
- Ein Altstadtfest wie kein Zweites - 15. Juli 2017.
- Zukunft des Polizeimuseums ungewiss - 5. Januar 2017.