/ "Ich gebe ihnen eine Chance"

(Caroline Seidel)
„Wenn wir die Menschen hier aufnehmen, wollen wir, dass sie Arbeit und eine Wohnung finden. Wir wollen hier keine Camps errichten“, so Außenminister Jean Asselborn vor zwei Jahren, als zahlreiche Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machten.
Der Saal war voll
Zwei Jahre später hat sich die Situation beruhigt. Die sogenannte „Flüchtlingskrise“ macht nicht mehr so viele Schlagzeilen wie noch damals und die Gemüter in der Bevölkerung haben sich beruhigt. Nun kommt der nächste Schritt. Die Flüchtlinge sollen integriert werden.
Die ADEM ist dafür zuständig, den Flüchtlingen Arbeit zu finden. Zwei Berater des Arbeitsamts, die speziell dafür ausgebildet wurden, betreuen die Flüchtlinge und helfen ihnen, Fuß auf dem luxemburgischen Arbeitsmarkt zu fassen. Sie versuchen ihre Kompetenzen und Stärken einzuordnen, bevor sie den Kontakt zu den Arbeitgebern herstellen.
Syrien oder Thionville?
Genau was diesen Kontakt angeht, wollte die Behörde am Donnerstag weiter gehen als bisher. Sie lud Unternehmer zu einem Gespräch ein, um ihnen die Angst zu nehmen und zu erklären, wie das eigentlich funktioniert, wenn man einen Flüchtling einstellt. Das Thema scheint zu interessieren. Der Saal war fast voll. „Wir hatten 80 Teilnehmer, davon waren die meisten Unternehmer“, freute sich Isabelle Schlesser, Direktorin der ADEM, im Nachhinein.
Und was könnte besser überzeugen als einige Beispiele? So erzählte Eric Klückers, Generaldirektor von Chaux de Contern, dass seit kurzem ein syrischer Ingenieur bei ihm in der Firma arbeitet. Probleme bei der Integration gab es keine. „Es war nicht schwieriger als jemanden aus Thionville oder Trier zu integrieren“, schmunzelte Klückers und löste Gelächter im Saal aus.
Skurriles vom Arbeitsmarkt
Er gab allerdings zu, dass die Sprachbarriere schon überwunden war. Der Flüchtling, der nun bei Chaux de Contern arbeitet, war bereits vor Kriegsausbruch in Luxemburg und hatte nach seinem Masterstudium an der Universität Luxemburg ein Praktikum in der Firma absolviert.
Ali Ousso, ein Flüchtling, der mittlerweile in einer Arbeitsmaßnahme ist, hat eigentlich auch gute Erfahrungen gemacht. Er erzählte allerdings auch von einem etwas skurrileren Erlebnis, das er auf dem luxemburgischen Arbeitsmarkt gemacht hat: Das Französisch, das er regelmäßig in Abendkursen lernt, bringt ihm weniger als er dachte. Seine Kollegen sprechen alle Portugiesisch. Wieder Gelächter im Saal.
Kein Schnee in Syrien
Für Mahmoud Al Hajjef war nach seiner Ankunft in Luxemburg klar, worauf er sich konzentrieren würde: Eine Sprache lernen, um kommunizieren zu können, und ein Praktikum finden. In Syrien hat er einen Architektur-Master absolviert. Er bedauert, dass sein Diplom in Luxemburg nur als Bachelor eingestuft wurde, freut sich aber, dass er mittlerweile einen CIE hat.
Es handelt sich hierbei um einen speziellen Vertrag für junge Arbeitssuchende. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, seinen neuen Mitarbeiter weiter auszubilden und zu betreuen. Dafür unterstützt die Regierung ihn finanziell. Auch Al Hajjef erzählt eine skurrile Geschichte von einem Treffen mit dem Arbeitgeber: „Ich bin Architekt und in meinem Beruf geht es viel um die Details. Nur gibt es Unterschiede in der Architektur zwischen westlichen und östlichen Ländern. Mit Schnee hatte ich nie etwas zu tun.“ Das habe zu etwas Verwirrung geführt. Doch er ist überzeugt, dass es dem „Boss“ schlussendlich um die Kompetenzen seiner Mitarbeiter geht. „Die Sprache kann man immer noch unterwegs lernen“, findet der Flüchtling.
Arbeitgeber statt Arbeitnehmer
Riad Taha aus Syrien hat den Spieß umgedreht. „Mit meinem Charakter wäre es schwierig gewesen, auf lange Sicht für jemanden zu arbeiten“, erklärt er. Also machte er sich nach ein paar Monaten auf dem Arbeitsmarkt einfach selbstständig. Er gründete seine Firma RCTLux und versucht, westliche Technologien in den Nahen Osten zu bringen. „Die Technologien, die es hier gibt, kommen da nicht richtig an“, erzählt er.
Vor Kurzem hat er ein kleines Geschäft im Norden des Landes eröffnet, in dem er Laptops, Telefone und andere elektronische Geräte verkauft. Ein weiteres soll in nächster Zeit in Esch eröffnen. „Als ich mich 2013 selbstständig gemacht habe, war es für jemanden wie mich schwierig, an Informationen über die Gesetze, das Marktumfeld und andere wichtige Faktoren zu kommen“, erzählt er. Mittlerweile sei das aber viel einfacher geworden.
„Ich gebe Ihnen eine Chance“
Die IT-Branche kennt Walter Lorphelin von Seqvoia sehr gut. Seine Firma verkauft Laptops und PCs aller Art und hilft der ADEM dabei, Flüchtlinge auszubilden. „Unsere Branche entwickelt sich sehr schnell. Weiterbildungen sind also bei uns besonders wichtig“, so Lorphelin. Vor allem, weil ein Großteil der Flüchtlinge schon länger nicht gearbeitet hat.
Zum Schluss der Gesprächsrunde gibt es eine unerwartete Wende. Ein Mann aus dem Burkina Faso meldet sich aus dem Publikum zu Wort. Er sei Mechaniker in seinem Herkunftsland gewesen. Sein Diplom wurde aber hier in Luxemburg nicht anerkannt. „Ich habe die Fähigkeiten und will sie einfach nur unter Beweis stellen. Ich will einfach mal ein oder zwei Monate bei einem Arbeitgeber arbeiten und ihm zeigen, dass ich es kann“, so der ganz emotionale Flüchtling.
Einer der Redner auf der Bühne ist François Dostert. Er führt ein Unternehmen, das im Fahrzeugbau und Maschinenbau spezialisiert ist. „Ich werde Ihnen eine Chance geben“, sagt er. „Ich biete Ihnen ein Praktikum bei mir an“, so Dostert vor dem Saal, der in Applaus ausbricht. So kann man also ganz spontan mit dem guten Beispiel vorangehen.
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