/ "Ich fürchte mich nicht vor Autoritarismus"
Polens Botschafter in Luxemburg, Bartosz Jalowiecki, verteidigt im Tageblatt-Interview die Haltung der polnischen Regierung – und fordert einen Termin bei Außenminister Jean Asselborn. Jalowiecki bedauert, dass die EU-Kommission sich nicht per Telefon oder auf informellem Weg gemeldet hat.
Gleichzeitig sieht er jedoch trotz der zunehmend autoritär handelnden Regierung in Polen keine langfristigen Probleme für das Land: „Ich fürchte mich nicht vor irgendeinem Autoritarismus, weil ich Polen kenne. Wir haben die Demokratien bislang belohnt.“
Der Botschafter gibt jedoch im Gespräch zu, dass einige der aktuellen Entscheidungen zu schnell getroffen würden. Dies könnte zu Spannungen und Missverständnissen führen. Allerdings zeigt Luxemburgs dienstältester Botschafter Härte mit Blick auf das neue Mediengesetz in Polen. Die Kritik sei übertrieben.
Hier einige Passagen aus dem Interview:
Außenminister Jean Asselborn hat Polen für seine zunehmend autoritäre Politik kritisiert. Wie reagieren Sie?
Ich halte es für falsch, dass ein Diplomat so reagiert. Ich habe den Vergleich mit der Sowjetunion persönlich als schmerzhaft empfunden. Ich komme aus einer Familie, die zu Zeiten des Kommunismus zu den Oppositionellen zählte. Mein Vater saß damals im Gefängnis.Wir mussten Polen verlassen und waren politische Flüchtlinge. Jedes Kind in Polen weiß, wie sehr sich das heutige Polen vom kommunistischen Polen unterscheidet. Man sollte zudem aus Respekt vor den Opfern des Kommunismus solche Vergleiche unterlassen.
Paradoxerweise ist die aktuelle Regierung wegen ihrer sehr autoritären Politik auf einem ähnlichen Pfad unterwegs wie einst die mit harter Hand geführten kommunistischen Regime.
Man betrachtet uns zurzeit ein wenig wie Kinder. Dabei kennen viele Westeuropäer nicht einmal die Geschichte von Mittel- und Osteuropa. Würde man unsere Geschichte besser kennen, bräuchte man sich keine Sorgen zu machen.
Polen hat eine stolze Geschichte. Wir haben unsere Könige bereits seit 1573 gewählt. Wir hatten 1791 die erste Verfassung in Europa. Aus einer globalen Perspektive waren wir nach den Amerikanern das zweite Land mit eigener Verfassung. Wir sind das Land, das zuerst gegen Nazi-Deutschland gekämpft hat. Wir sind der Geburtsort der Solidarnosc.
Sie behaupten doch nicht im Ernst, dass ein Freiheitskämpfer wie Lech Walesa als Solidarnosc-Galionsfigur und ehemaliger Präsident Polens die aktuellen Entwicklungen gutheißen kann: Er hat die jetzige Regierung wegen ihrer „Art“ heftig kritisiert.
Was Sie sagen, zeigt, dass wir ein großes Demokratieverständnis haben. Es ist nicht so, dass alle in Polen mit den Handlungen der Regierung einverstanden sind.
(…)
Man fürchtet sich aufgrund der zunehmend autoritären Politik der Regierung unter anderem vor einer schleichenden Einflussnahme im Rundfunk.
Ich fürchte mich nicht vor irgendeinem Autoritarismus, weil ich Polen kenne. Wir haben die Demokratien bislang belohnt. Ich kann Ihnen unsere Nationalhymne wie folgt paraphrasieren: Die Demokratie in Polen ist nicht verloren, so lange wir Polen leben. Man hat uns vor rund 100 Jahren vorgeworfen, Anarchisten und Chaoten zu sein. Sie können sich vielleicht an Ausdrücke wie „polnische Wirtschaft“ erinnern. So ein Volk soll jetzt autoritär werden? Das ist doch lächerlich.
Ich zitiere Ihren Außenminister Witold Waszczykowski: „Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energie setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen.“ Toleranz klingt anders.
Der Minister ist ein Politiker. Politiker sprechen nicht nur mit dem Tageblatt, sondern auch mit Boulevardzeitungen. Das war ein Interview mit der deutschen Bild-Zeitung. Er hat eine Sprache verwendet, die sich im Rahmen des Boulevardjournalismus anbietet.
Lesen Sie das vollständige Interview in der Print-Ausgabe (06.01.2016) des Tageblatt.