/ Hunderte Festnahmen bei Protesten
Schatten über einem ohnehin nicht lupenreinen Wahlsieg: Nach der als unfair kritisierten Wahl von Wladimir Putin zum Kremlchef ist die Polizei erstmals seit Monaten wieder mit Härte vorgegangen und hat mindestens 550 Demonstranten festgenommen.
In St. Petersburg wurden bei einer nicht erlaubten Kundgebung etwa 300 Demonstranten abgeführt, sagte ein Sprecher der Behörden am Abend nach Angaben der Agentur Interfax. Bei der Versammlung mit insgesamt 800 Menschen in der zweitgrößten Stadt Russlands seien auch Molotowcocktails auf Polizeiwagen geworfen worden, hieß es.
Prominente Festnahmen
In Moskau wurde der bekannte Blogger Alexej Nawalny, der in Oppositionskreisen als möglicher künftiger Präsidentschaftskandidat gehandelt wird, ebenso abgeführt wie der Linkspolitiker Sergej Udalzow. Nach einer genehmigten Kundgebung mit bis zu 20 000 Teilnehmern im Zentrum der Hauptstadt hatten sich Dutzende Putin-Gegner geweigert, den Platz zu verlassen. Die Polizei griff daraufhin zu und führte auch die Oppositionellen Jewgenija Tschirikowa und Ilja Jaschin ab, die in den vergangenen Monaten ebenfalls zu Führungsfiguren der Anti-Putin-Bewegung wurden.
Zuvor waren bei einer zweiten, nicht genehmigten Kundgebung in der russischen Hauptstadt mindestens 100 radikale Oppositionelle festgenommen worden. „Insgesamt wurden in Moskau mindestens 220 Demonstranten festgenommen“, sagte am Abend ein Behördensprecher. Zahlreiche Putin-Gegner zogen zum Roten Platz weiter, den die Polizei hermetisch abgeriegelt hatte. In der Nähe feierten nach offiziellen Angaben etwa 10 000 Jugendliche bei einer erlaubten Versammlung die Rückkehr von Putin in den Kreml.
Dritte Amtszeit
Putin wird im Mai nach 2000 und 2004 zum dritten Mal in den Kreml als Präsident einziehen. Nach seinem Sieg bot Putin den unterlegenen Konkurrenten eine Zusammenarbeit an. „Lassen Sie uns die Probleme Russlands gemeinsam lösen“, sagte der künftige Präsident.
Er forderte eine Aufklärung der massiven Klagen über Verstöße bei der Abstimmung. Auch der scheidende Kremlchef Dmitri Medwedew signalisierte der Opposition Entgegenkommen. Er wies die Justiz überraschend an, bis zum 1. April die Verurteilung des inhaftierten Kremlgegners und Ex-Ölmanagers Michail Chodorkowski sowie 32 weitere Hafturteile zu prüfen.
Politisches Manöver
Menschenrechtler und Politologen bewerteten dies als politisches Manöver. Die Freilassung von Chodorkowski ist eine Hauptforderung der Opposition und der internationalen Gemeinschaft.
„Diese Wahl ist nicht fair verlaufen“, sagte die OSZE-Diplomatin Heidi Tagliavini. Vielerorts seien Stimmzettel in die Wahlurne gestopft worden. Demokratische Standards, zu denen sich Russland als Europaratsmitglied verpflichtet habe, seien nicht voll erfüllt worden, sagte auch der Niederländer Tiny Kox. Die Bedingungen seien auf Putin zugeschnitten gewesen. Zudem sei der politische Wettbewerb durch den Ausschluss der Opposition eingeschränkt gewesen.
USA fordern Untersuchung
Die USA riefen Russland auf, die Berichte zu untersuchen. Es müsse sich um eine „unabhängige, glaubwürdige Untersuchung aller berichteten Wahlverstöße“ handeln, forderte das Außenministerium.
Der kremlnahe Wahlleiter Wladimir Tschurow wies die Vorwürfe, die auch unabhängige russische Wahlbeobachter erhoben, zurück. Der Wahlkampf sei offener, sauberer und transparenter gewesen als irgendwo auf der Welt. Trotz der Vorwürfe erklärte die Wahlkommission Putin nach vorläufigem amtlichen Endergebnis mit 63,6 Prozent zum Sieger. Das endgültige Resultat folgt in den kommenden Tagen. Der Regierungschef blieb deutlich unter seinem Ergebnis von 2004 (71,3 Prozent), aber über seinem ersten Wert von 2000 (52,9 Prozent). Die Beteiligung lag bei 65,3 Prozent der rund 110 Millionen Berechtigten.
Hinter Putin …
Auf Platz zwei der Präsidentenwahl landete Kommunistenchef Gennadi Sjuganow mit 17,18 Prozent. Der Milliardär Michail Prochorow kam auf 7,98 Prozent, der Ultranationalist Wladimir Schirinowski 6,22 Prozent und der Linkskonservative Sergej Mironow auf 3,85 Prozent.
Putin hatte sich bereits kurz nach Schließung der Wahllokale zum Sieger der Abstimmung erklärt. Gemäß geänderter Verfassung regiert er nun erstmals sechs Jahre und damit zwei Jahre länger als zuletzt in diesem Amt mit fast unbegrenzter Machtfülle. Medwedew soll den untergeordneten Posten des Regierungschefs erhalten.
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