Humanitäre Lage verschlechtert sich

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In den belagerten Städten im Osten der Ukraine verschärft sich die humanitäre Lage. Der Westen wirft Russland vor, eine gefechtsbereite Streitmacht an der Grenze zusammengezogen zu haben. Putin droht dem Westen mit Gegensanktionen.

Die humanitäre Situation in der umkämpften Ostukraine verschlechtert sich nach Angaben der Vereinten Nationen von Tag zu Tag. „Wir sprechen von 3,9 Millionen Menschen, die in einer von der Gewalt heimgesuchten Region leben“, sagte John Ging vom Nothilfebüro der UN am Dienstag in New York in einer Sondersitzung des Sicherheitsrates. „Die Infrastruktur ist zerstört, Strom gibt es kaum und Wasser nur ein paar Stunden am Tag.“ Jeden Tag würden etwa 1000 Menschen aus dem Kampfgebiet fliehen. Seit Beginn des Konflikts seien 1376 Menschen getötet worden, mehr als 4000 seien verletzt.

Die ukrainische Armee flog in der Nacht zum Mittwoch Angriffe auf Donezk. (Reuters)

„Es ist ein echter Krieg“, sagte Russlands UN-Botschafter Vitali Tschurkin, der die Dringlichkeitssitzung gefordert hatte. „Trotz internationaler Abkommen setzt Kiew seine Militäreinsätze fort. Wohngebiete werden beschossen und es werden sogar Kassettenbomben eingesetzt.“ Tschurkin sagte, Russland habe 800 000 Flüchtlinge aufgenommen. Laut UN sind es allerdings 168 000.

Zynismus pur?

Ein Vertreter der Ukraine sagte, Russlands Forderung nach der Sondersitzung sei an Zynismus nicht zu überbieten. „Sie sind es, die unser Land destabilisieren. Keines dieser Probleme würde bestehen, wenn Sie sich nicht in die Angelegenheiten eines souveränen Landes einmischen würden.“

Die USA warfen Russland Heuchelei vor. „Russland kann das alles beenden“, sagte Vize-Botschafterin Rosemary DiCarlo. „Die Gewalt endet an dem Tag, an dem Russland seine Hilfe für die Aufständischen einstellt.“ Moskau müsse die Ukraine respektieren und die Besetzung der Krim beenden, sagte sie. „Und Russland muss endlich mit der Destabilisierung der Ostukraine aufhören.“

Die USA sind beunruhigt

Überdies beunruhigt die USA die Verstärkung russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine. Nach den Worten von Pentagonsprecher John Kirby handelt es sich um etwa 10 000 Soldaten. Das Entscheidende sei, dass die Truppen im Grenzgebiet immer besser ausgerüstet würden, etwa mit Artillerie, Luftabwehr und mit Spezialkräften. Zudem befänden sich die Truppen derzeit näher an der Grenze als noch im Frühjahr, sagte Kirby am Dienstag vor Journalisten.

Russland hat die Zahl seiner Soldaten an der Grenze zur Ukraine nach US-Berichten fast verdoppelt. Moskau habe in den vergangenen Wochen bis 21 000 Soldaten im grenznahen Gebiet zusammengezogen, meldete die „New York Times“ unter Berufung auf westliche Regierungsvertreter. Diese „gefechtsbereite Streitmacht“ könne mit wenig Vorwarnung aktiv werden.

Rasmussen droht

Die Ukraine sprach sogar von 45 000 russischen Soldaten an ihrer Grenze. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte im belgischen Mons die Geschlossenheit der westlichen Allianz. „Die Nato ist entschlossen, alle Verbündeten gegen jederlei Bedrohung zu verteidigen“, bekräftigte er. Aus Moskau gab es dazu zunächst keinen Kommentar.

Russland hatte zuletzt einen massiven Beschuss seiner Grenze von ukrainischem Territorium aus kritisiert. Dabei starb mindestens ein Mensch, mehrere Gebäude wurden zerstört. Außerdem begründete Moskau in der Vergangenheit die Truppenkonzentration damit, dass man auf diese Weise den Nachschub für prorussische Separatisten in der Ukraine verhindern wolle.

Weitere Tote bei Gefechten

Bei heftigen Gefechten zwischen Regierungskräften und Separatisten in der Ostukraine kamen erneut mehrere Menschen ums Leben. Die ukrainische Armee sprach von 3 Toten und 46 Verletzten in den eigenen Reihen, die prorussischen Gruppen meldeten 2 Tote und 13 Verletzte in ihren Reihen.

Die ukrainische Luftwaffe hat in der Nacht zum Mittwoch nach Angaben der örtlichen Behörden erstmals die Rebellenhochburg Donezk im Osten des Landes angegriffen. Es habe keine Opfer gegeben, teilte die Stadtverwaltung mit. Das Geschoss habe einen vier Meter breiten und eineinhalb Meter tiefen Krater in einer Straße hinterlassen. Bei ihrer Offensive zur Rückeroberung der Stadt hatten sich die Regierungstruppen am Dienstag in einem Vorort schwere Gefechte mit den prorussischen Rebellen geliefert. Mindestens zwei Zivilisten wurden nach Angaben der Stadtverwaltung getötet.

Ein Großteil der Zivilbevölkerung ist aus Angst vor den Kämpfen bereits aus Donezk geflohen. Das ukrainische Militär versucht seit Wochen, die Rebellen aus ihren Hochburgen Donezk und Lugansk zu vertreiben. Zwar gelang es der Armee, Slawjansk, Mariupol und andere kleinere Städte zurückzuerobern, doch geriet die Offensive angesichts der heftigen Gegenwehr der Rebellen immer wieder ins Stocken. Die bisherige Strategie in Donezk besteht darin, die Gegner der Regierung in Kiew zu isolieren, bis ihre Ressourcen aufgebraucht sind.

Arbeiten am Wrack werden fortgesetzt

Trotz der Gefechte in der Ostukraine setzten internationale Experten ihre Arbeit am Absturzort des malaysischen Flugzeugs MH17 fort. An dem riesigen Trümmerfeld bei Grabowo seien etwa 110 Helfer aus den Niederlanden, Australien und Malaysia eingetroffen, teilte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit. Die Experten suchen nach Leichenteilen und privaten Gegenständen der 298 Opfer.

Kremlchef Wladimir Putin drohte mit einer Reaktion auf die Sanktionen der EU und der USA gegen Russland im Ukraine-Konflikt. Die Antwort müsse angemessen sein. Sie dürfe nicht den russischen Verbrauchern oder Unternehmen schaden, sagte Putin der Agentur Interfax zufolge am Dienstag in Woronesch rund 500 Kilometer südlich von Moskau. Die EU und die USA hatten Sanktionen verhängt, weil sie Russland die Schuld an der Gewalteskalation in der Ukraine geben.