Hat Le Monde denunziert?

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Zwischen den Eignern der französischen Tageszeitung "Le Monde" und der Redaktion ist ein Streit über die „Swissleaks-Berichterstattung ausgebrochen. Der Vorwurf: Denunziation.

„Da werden Namen in den Dreck gezogen“, zeigt sich einer der drei Besitzer der Nachmittagszeitung, Pierre Bergé, verärgert. Er fügt an: „Ich habe der Redaktion keine journalistische Freiheit garantiert, damit sie nun zum Denunzianten wird.“ Die französische Traditionszeitung entfernt sich mehr und mehr von ihrem traditionellen Kurs. „Le Monde“ ist in Frankreich zur Aufdeckungszeitung von vermeintlichen oder echten Skandalen geworden.

Pierre Bergé kritisiert in einem Gespräch mit dem Rundfunksender RTL, dass „Le Monde“ bei der Berichterstattung über Swissleaks Namen veröffentlicht und Menschen diskriminiert. Die Zeitung hatte in einer Vorabberichterstattung scheibchenweise über fast 40 Minuten lang die Berichterstattung angekündigt und dabei eine Reihe von Franzosen bezeichnet, die in der Liste auftauchen. An erster Stelle steht der Humorist Gad Elmaleh, gefolgt von Namen wie dem Frisör Dessange, der Familie Ouaki, ehemalige Besitzer der Bekleidungskette Tati, Arlette Ricci, Erbin der Erbin des gleichnamigen Modehauses oder auch Gilberte Beaux, große alte Dame der französischen Wirtschaft. Gad Elmaleh hatte zuvor schon in der Kritik wegen eines Werbespots für die Bank LCL (früher Crédit Lyonnais) gestanden, den er gedreht hatte.

„Name dropping“

Einer der drei Journalisten, die bei „Le Monde“ die Swissleaks Geschichten aufarbeiten, hat zugegeben, „name dropping“ betrieben zu haben, um Interesse an den Geschichten zu wecken. Ein anderer hat bestritten, den Humoristen diskriminiert zu haben. Der Fernsehsender „canal +“ hat darauf hin in seiner Nachrichtensendung alle Aufmachungen aus den Nachrichtensendungen aller anderen französischen Fernsehsender zusammengeschnitten und gezeigt, dass überall die Nachrichten mit dem Humoristen aufmachten und in die Nähe der Steuerhinterziehung rückten. Gad Elmaleh hat ein Konto mit einem Betrag von 80.000 Euro bei der HSBC besessen. Die Regulierung der steuerlichen Seite des Kontos ist seit langem abgeschlossen, wie in einer Reihe anderer Fälle auch. Es ist diese Darstellung von erledigten Fällen, bei der die Betroffenen nachträglich an den Pranger gestellt werden, die Pierre Bergé zu der Aussage der Denunziation getrieben hat.

Schwerwiegend ist der Fall von Gilberte Beaux. Die große Dame der französischen Wirtschaft hat in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zusammen mit dem verstorbenen Industriellen Jimmy Goldsmith die französische Wirtschaft geprägt. Gilberte Beaux war Vorsitzende des Aufsichtsrates von Adidas, als Bernard Tapie das Unternehmen gekauft hatte und mit dem deutschen System nicht zurecht kam. In einem Gespräch mit dem Tageblatt Ende vergangenen Jahres anlässlich einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Vereinigung „Business Women“ hatte Gilberte Beaux noch erzählt, dass sie nach Herzogenaurach umgezogen war, um vor Ort in direktem Kontakt mit den Arbeitnehmern und Gewerkschaften das Unternehmen zu sanieren. Als Adidas später an die Börse ging, galt ihr allseits das Kompliment, Adidas wieder auf die Beine gestellt zu haben.

Gilberte Beaux lebt in Argentinien. Sie kommt regelmäßig zu Sitzungen von Verwaltungsräten von Fondsgesellschaften nach Luxemburg. „Le Monde“ nennt auch ihren Namen mit dem Zusatz, dass ihr Fall verjährt sei, weil sie seit 15 Jahren in Argentinien und in Spanien lebe. Die Formulierung von „Le Monde“ unterstellt ohne Beweisführung, dass Gilberte Beaux in ihrer aktiven Zeit Steuerhinterziehung begangen haben soll.

Genannte Personen unbescholten

Das Problem bei dieser Berichterstattung ist auch, dass die Fälle aus den Jahren 2006 und 2007 stammen, in großer Zahl mit Steuernachzahlungen und Strafzahlungen geregelt sind und die in der Öffentlichkeit genannten Personen als unbescholten zu gelten haben.

Erheblich erschwert werden nun Verhandlungen zwischen der französischen Regierung und der Bank über eine Strafzahlung. An einem Prozess hat niemand Interesse. Ob allerdings ein Prozess gegen die HSBC nun vermieden werden kann, ist zweifelhaft. „Le Monde“ hat großen öffentlichen und politischen Druck aufgebaut. Sozialistische Abgeordnete der Nationalversammlung verlangen ernsthaft Reparationszahlungen der Schweiz an Frankreich.

Die Redaktion, die Vereinigung der Redakteure und die Direktion der Zeitung weisen die Kritik an ihrem Vorgehen zurück. Sie verweisen auf die Freiheit der Berichterstattung, die ihnen von den Besitzern Pierre Bergé, Matthieu Pigasse und Xavier Niel garantiert worden sei. Garniert werden die Stellungnahmen mit Angriffen auf Pierre Bergé. Es sei zu erwarten gewesen, attackieren die Journalisten von „Le Monde“, dass Pierre Bergé sich an diese Garantie nicht halten würde.

Helmut Wyrwich