Mittwoch12. November 2025

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Große Probleme an Europas Krisenfront

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Die Regierungen und Chefetagen Europas jubeln: Die längste Rezession der Geschichte ist vorbei. Die Menschen auf der Straße vor allem in den Euro-Krisenländern merken vom Aufschwung aber noch nicht viel. Auch viele Experten sind skeptisch.

„Wohl die beste Nachricht des Sommers: 1,1 Prozent“, prangt auf dem Bild eines schäumenden Bierglases auf Seite eins einer portugiesischen Zeitung. Gemeint ist das erste Quartalswachstum der Wirtschaft des Eurolandes nach zweieinhalb Jahren. Das Titelbild von „I“ am Zeitungskiosk des Lissabonner Flughafens ließ am Donnerstag bei den Passagieren aber keine Freude aufkommen. Ein Streik des Bodenpersonals sorgte ausgerechnet zu Beginn eines langen Wochenendes für Chaos und Ärger. Fast alle Flüge hatten bis Mittag Verspätung. An den teils desolaten Zuständen im ärmsten Land Westeuropas hat sich nichts geändert.

Nachdem der Euroraum auch und vor allem dank des kräftigen Wachstums der Schwergewichte Deutschland und Frankreich die längste Rezession seiner Geschichte überwunden hat, herrscht an der Schuldenfront des Kontinents weiterhin „Krisenbusiness as usual“. Die Klagen der Gewerkschaften in Lissabon brechen nicht ab: Es gibt immer weniger Jobs, immer weniger Geld, dafür immer längere Arbeitszeiten. „Es wird immer schlimmer, wir müssen bis zu zehn Stunden am Tag arbeiten“, erklärt Fernando Henriques, Sprecher der Mitarbeiter bei Groundforce, einer Tochterfirma der staatlichen Airline TAP, die das Bodenpersonal an Portugals Flughäfen stellt.

16 Prozent sind ohne Job

Das Land, das 2011 zur Abwendung eines drohenden Bankrotts 78 Milliarden Euro von EU und Internationalem Währungsfonds bekam und einen strikten Sparkurs fährt, leidet unter Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 16 Prozent und steuert bereits auf das dritte Rezessionsjahr in Folge zu.

Die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho sieht sich durch das überraschend starke Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal in ihrer Sparpolitik bestätigt, die Anstrengungen des Volkes seien nicht umsonst gewesen, hieß es. José Junqueiro, Vizechef der oppositionellen Sozialisten (PS), warnt aber: „Wenn die Regierung auf Kürzungen von Gehältern und Renten sowie auf Entlassungen im öffentlichen Dienst beharrt, werden wir nach dem dritten auch ein viertes Rezessionsjahr (2014) in Folge haben.“

Skeptische Experten

Doch nicht nur die linke Opposition und die Gewerkschaften sind in Portugal, wo vor allem die Exporte zum Wachstum beitrugen, sehr skeptisch. Die angesehene Consultingfirma IMF warnt, es gebe noch viele Risiken. 2014 sehen die Experten die Gefahr, dass neue Sparmaßnahmen die Nachfrage weiter drücken. Sie rechnen damit, dass „auch Zweifel hinsichtlich der Fähigkeit Portugals aufkommen, an die (internationalen Finanz-)Märkte zurückzukehren“.

Auch in anderen Krisenländern Südeuropas hält sich der Optimismus in Grenzen. In Griechenland schrumpft die Wirtschaft bereits im sechsten Jahr in Folge. Knapp 28 Prozent der Menschen sind arbeitslos, gut 64 Prozent der jungen Menschen haben keinen Job. Tausende Arbeitnehmer bekommen seit Monaten nur einen Teil ihrer Löhne. Nur ein Funke genüge, um das Pulverfass der sozialen Unzufriedenheit zur Explosion zu bringen, warnen Beobachter.

Spanien ist noch in der Rezession

Spanien hat die Rezession ebenfalls noch nicht überwunden, aber eine Reihe von Lichtblicken deuten darauf hin, dass das Land die Talsohle hinter sich gelassen hat. Im Juli wurde ein drastischer Rückgang der Arbeitslosenzahl ausgewiesen – vor allem aber dank der Hochsaison im Tourismus. Die Regierung von Mariano Rajoy erwartet für das dritte Quartal erstmals wieder ein leichtes Wachstum.

Experten warnen jedoch davor, die Krise für beendet zu erklären. „Wenn die Wirtschaft wieder wächst, heißt das noch nicht, dass die Krise überwunden ist“, erklärt Ökonom Miguel A. Bernal Alonso in der Zeitung «El Mundo». Das betrifft vor allem die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das Land wird nach den Prognosen noch für längere Zeit eine Arbeitslosenquote von über 26 Prozent aufweisen.

„Eurozone raus aus der Rezession, wir noch nicht“, titelte die römische „La Repubblica“. Italien braucht noch etwas mehr Zeit, um aus der längsten Flaute nach dem Krieg (zweites Quartal: minus 0,2 Prozent) herauszukommen. Es gibt aber erste Zeichen einer Wiederbelebung, so bei der Industrieproduktion. Und die sonst so kritischen Finanzmärkte haben, wenn es um Italien geht, derzeit eher die rosarote Brille auf. Die sehr bemühte Regierung von Enrico Letta wird zwar von den politischen Wirren um Silvio Berlusoni behindert, sieht aber ebenso wie die italienische Notenbank Licht am Tunnelende.