/ Gewerkschaftsboss verriet Studenten

Mohamad Abdallah, Chef der ägyptischen Gewerkschaften der ambulanten Händler, hat in einem Interview mit der Huffington Post bestätigt, derjenige gewesen zu sein, der den italienischen Doktoranden Giulio Regeni bei den Polizeibehörden des Landes denunziert hatte. „Er hat hier überall rumgeschnüffelt und so viele Fragen gestellt“, erklärte Abdallah, „da habe ich das gemacht, was jeder gute Ägypter getan hätte“.
Der Gewerkschaftsboss ist bereits seit langem als Informant für die Geheimpolizei des Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi tätig. Bereits im Frühjahr und nach weiteren Ermittlungen im August äußerten italienische Dienste den Verdacht, Abdallah könnte etwas mit dem Verschwinden Regenis zu tun haben.
Kritischer Forscher
Giulio Regeni arbeitete an einer Dissertation zur Rolle der ägyptischen Gewerkschaften. Zu Recherchen hielt er sich in Kairo auf, wo er bereits zu Studienzeiten für die UN-Organisation für industrielle Entwicklung tätig gewesen war. In seinen Studien beschäftigte er sich mit der Geschichte und Rolle unabhängiger Gewerkschaften in Ägypten. Diese Organisationen, so sie noch existieren, gehören zu den schärfsten Kritikern der aktuellen Regierung. Hunderte ihrer Mitglieder verschwanden in den Kerkern der Geheimpolizei.
In Artikeln äußerte sich Regeni unter dem Pseudonym Antonio Druis zur Rolle der Gewerkschaften und zur restriktiven Politik Kairos gegenüber den Arbeitnehmervertretungen. Mit seinen Recherchen geriet er ins Visier der Geheimagenten. Dass ausgerechnet ein von ihm befragter Gewerkschaftsfunktionär zu seinem Verräter werden sollte, ahnte der 28-jährige Forscher nicht.
Herausgerissene Finger- und Fußnägel
Am 25. Januar wollte Regeni mit Freunden das Fest des Jahrestages des Aufstands auf dem Tahir-Platz feiern, doch traf der italienische Forscher nicht in der Wohnung der Freunde ein. Am 3. Februar wurde sein Leichnam auf einer abgelegenen Straße zwischen der ägyptischen Hauptstadt und Alexandria gefunden. Nach einer ersten Obduktion in Kairo teilte die Polizei mit, Regeni sei mit einem „scharfen Gegenstand auf den Hinterkopf“ geschlagen worden und damit zu Tode gekommen.
Die Polizei von Kairo legte eine Spur ins kriminelle Milieu der Hauptstadt. Eine in Rom durchgeführte Zweitobduktion legte jedoch offen, dass Regeni vor seinem Tod tagelang gefoltert wurde. Male von Elektroschocks und brennenden Zigaretten, herausgerissene Finger- und Fußnägel deuteten auf grausame Torturen hin. Nach Angaben von Amnesty International sind dies bekannte Methoden der ägyptischen Geheimpolizei.
Kairoer Behörden blockieren Roms Ermittlungen
Die Ermittlungen, die die Italiener selber in Kairo anstellen wollten, wurden von den dortigen Behörden derart behindert, dass eine politische Krise zwischen beiden Staaten heraufbeschworen wurde. Der damalige Regierungschef Matteo Renzi und sein Außenminister Paolo Gentiloni versprachen volle Aufklärung des Falls.
Doch dies dürfte sich als schwierig erweisen, bislang haben die Kairoer Behörden alle Anstrengungen der Italiener blockiert. Und dass Gewerkschaftsführer Abdallah mit seinem Eingeständnis, er habe Regeni an die Polizei verraten, offen zutage treten kann, zeigt, dass er zumindest von ägyptischer Seite nichts zu befürchten hat. Es zeigt aber auch, dass weiterhin mit keiner Kooperation der Offiziellen im Fall Regeni zu rechnen ist.
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