/ "Gemeinden müssen sich bewegen"
„Kommunen werden in ihrem politischen Gestaltungsspielraum erheblich eingeschränkt, wenn TTIP in Kraft tritt“, heißt es im Vorwort der Campact-Studie. Autor Thomas Fritz hat sich auf Elemente aus den immer noch geheimen Verhandlungsdokumenten und den fertigen Text zum Freihandelsabkommen mit Kanada gestützt, das als TTIP-Blaupause bezeichnet wird. Untersucht wurden die möglichen Folgen der geplanten Investor-Staat-Schiedsverfahren, Regelungen für Investitionen und Dienstleistungen, die öffentliche Daseinsvorsorge, aber auch Fragen zum öffentlichen Auftragswesen.
Würde zum Beispiel eine Gemeinde eine Maßnahme treffen, die Geschäftsinteressen von Investoren zuwider liefe, könnte eine Klage vor einem internationalen Schiedsgericht drohen. Mögliche Anlässe wären Umweltauflagen oder auch verweigerte Betriebsgenehmigungen. Beispiele für solche Fälle, die aufgrund anderer Abkommen zustande kamen, gibt es bereits. So verweist die Studie auf eine Klages des Energiekonzerns Vattenfall auf 1,4 Milliarden Euro, wegen Auflagen, die die Hamburger Umweltbehörde für den Betrieb eines Kohlekraftwerkes gemacht hatte. Der Fall habe mit einem Vergleich geendet. Die ursprünglichen Auflagen seien aufgeweicht worden.
Szenarien
Aber sind solche Fälle in Luxemburg denkbar? Für David Wagner, der für „déi Lénk“ im hauptstädtischen Gemeinderat sitzt, besteht daran nur wenig Zweifel. „Die Kompetenzen der Gemeinden in Deutschland sind ähnlich wie in Luxemburg. Da gibt es konkrete Sachverhalte. Die Hauptstadt ist zum Beispiel ‚Ville sans OGM‘. Das ist eine gute Sache, aber es wäre denkbar, dass ein Unternehmen wie Monsanto deshalb klagen könnte, weil der Markt so für ein solches Unternehmen verschlossen bleibt.“
Die Bedrohungsszenarien bleiben allerdings bisher wenig greifbar. Selbst der Autor der Campact-Studie räumt ein, dass es sich aufgrund der laufenden Verhandlungen und des mangelnden Zugangs zu aktuellen Verhandlungsdokumenten nur um „recht grobe und vorläufige Einschätzungen“ handelt. Aber grob und vorläufig bedeutet nicht zwangsläufig unrealistisch. Zumal noch andere kommunale Bereiche sich einem Liberalisierungsdruck ausgesetzt sehen könnten.
Autonomie?
Zwar sollen öffentliche Dienstleistungen explizit unter eine Ausnahmeklausel fallen. Die Studie sieht aber „große Schlupflöcher“. Könnten die Ausnahmeklauseln anderen TTIP-Inhalten widersprechen und würden sie einer Klage standhalten? Abfall- und Wassermanagement, öffentlicher Transport und sogar die Vergabe von Subventionen und staatlichen Beihilfen könnten unter den Druck von Investitionsschiedsgerichten geraten.
Es wäre ein Angriff auf die kommunale Autonomie. Und alleine die theoretische Möglichkeit der Beschneidung kommunaler Kompetenzen hat sonst das Potenzial, für einen mittelschweren Aufschrei auf Gemeindeebene zu sorgen. Der hält sich aber bisher in Grenzen. Ernsthaft diskutiert wurde bisher nur in Esch, Differdingen und Sanem. In der Hauptstadt ließ Bürgermeisterin Lydie Polfer den Punkt von der Tagesordnung streichen mit dem Argument, das sei keine kommunale Kompetenz.
David Wagner war damals der Leidtragende. Kürzlich bestätigte Innenminister Dan Kersch Lydie Polfer in ihrem Urteil und lehnte Wagners Einspruch ab. Der widerspricht weiter: „Wenn die Gemeinde Luxemburg glaubt, es sei nicht von kommunalem Interesse, dann hat sie nichts verstanden, selbst wenn eine Motion eher symbolischen Wert hat. Aber es ist eine Frage von Sensibilisierung und Druck. Die Gemeinden haben die Pflicht zur Daseinsvorsorge und vieles läuft über ihre Dienste. Es wird sie betreffen.“
Kaum Informationen
Die fühlen sich in ihrer überwältigenden Mehrheit derzeit offenbar alles andere als betroffen. „Bis jetzt war es kein Thema“, erklärt Syvicol-Präsident Emile Eicher, „aber wir haben im Moment gar nicht die Zeit dafür“. Das Gemeindesyndikat beschäftigen derzeit mehr die „plans sectoriels“, danach steht die geplante Reform der Gemeindefinanzen auf dem Programm. Dossiers, die „uns in unserer kommunalen Autonomie beschneiden“ so Eicher. TTIP könne er aber mal im Syvicol ansprechen, doch es klingt nicht so, als entspreche er einem dringenden Wunsch der Kommunen. Interessieren sich die Kommunen vielleicht gar nicht dafür? Haben sie nicht die nötigen Ressourcen, sich damit zu befassen? Oder sind sie am Ende nicht genügend informiert?
„Manche wollen gar nicht darüber diskutieren“, so Wagner. Sicherlich hat er dabei auch seine eigene Erfahrung im hauptstädtischen Gemeinderat im Blick. Er fragt sich allerdings, wie Gemeinden überhaupt informiert sein können. „Die Regierungen werden ja kaum informiert. Die Diskussionen laufen auf europäischer Ebene, die Kommission führt die Verhandlungen. Einzelne EU-Abgeordnete dürfen das begleiten und haben nicht mal Zugang zu allen Informationen. Wie soll da der Bürgermeister einer kleinen Gemeinde oder auch der Hauptstadt informiert sein?“, fragt er sich, aber „die Gemeinden müssen sich bewegen, denn sie sind stark betroffen. Die Bürgermeister müssen sich bewusst sein, dass sie noch mehr Schwierigkeiten haben werden, ihre Gemeinde zu verwalten“.
- Blau durch den Sonntag - 18. September 2017.
- 38-jähriger Vermisster aus Schieren ist tot - 4. August 2017.
- Polizei fasst Einbrecher und Komplizin - 3. August 2017.