„Geisterschiff“ in Italien angekommen

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Ein Riesengeschäft ohne Risiko für die Schlepper: Sie gehen von Bord und überlassen die Flüchtlinge ihrem Schicksal. An Italiens Küstenwache, die Katastrophe zu verhindern.

Rund 450 Flüchtlinge haben an Bord des führerlosen Frachters „Ezadeen“ den sicheren Hafen der süditalienischen Stadt Corigiliano Calabro erreicht. Es ist der zweite Vorfall dieser Art innerhalb weniger Tage. Die Menschenschmuggler hatten die überwiegend aus Syrien stammenden Menschen zuvor auf offener See ihrem Schicksal überlassen. Viele der Flüchtlinge an Bord des fast 50 Jahre alten, unter der Flagge Sierra Leones fahrenden Frachters für Viehtransporte litten unter Unterkühlung.

Das Phänomen, Flüchtlinge auf führerlosen Schiffen im Mittelmeer zurückzulassen, stellt allem Anschein nach eine neue Methode der Schleuserbanden dar. Bereits am Mittwoch hatten die italienischen Behörden den Frachter „Blue Sky M“ mit knapp 770 Menschen an Bord auf hoher See gestoppt und an Land begleitet. Von der Besatzung fehlte ebenfalls jede Spur.

„Multimillionengeschäft“

Nach Ansicht der EU-Grenzschutzagentur Frontex belegen die „Geisterschiffe“ im Mittelmeer einen „neuen Grad der Grausamkeit“. Der Schmuggel von Flüchtlingen sei ein „Multimillionengeschäft“, sagte Pressesprecherin Ewa Moncure in Warschau. Giovanni Pettorino von der italienischen Küstenwache sagte der Nachrichtenagentur Adnkronos, die Menschenschmuggler hätten wegen der hohen Einnahmen durch die Fahrpreise keine Skrupel, das Schiff mit Autopilot zu programmieren und zu verlassen.

Schrottkähne werden für einige hunderttausende Euro gekauft. Die Flüchtlinge etwa aus Syrien müssen bis zu 6000 Euro pro Person für die Überfahrt zahlen. Schiffe wie die „Blue Sky M“ sollen knapp 700.000 Euro kosten. Mit mehr als 700 Passagieren an Bord blieb den Schleppern in diesem Fall ein satter Gewinn von mehreren Millionen.

Die manövrierunfähige „Ezadeen“ war von einem Flugzeug entdeckt worden, das nach Angaben der Küstenwache Kontakt zur Besatzung des Frachters aufnehmen wollte, die jedoch nicht antwortete. Gemeldet hatte sich via Funk schließlich eine Passagierin, die erklärte, dass die Besatzung das Schiff verlassen habe.

Der 1966 gebaute Frachter sollte den französischen Mittelmeerhafen Sète ansteuern. Nach Angaben des Schiffsinformationsdienstes MarineTraffic war der letzte bekannte Hafen, in dem der Frachter Mitte Dezember angelegt hatte, Famagusta in der nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern.