Fukushima gerät außer Kontrolle

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Verzweifelt kämpfen die Techniker im AKW Fukushima gegen die völlige Zerstörung. Die letzten 50 Arbeiter versuchen in der hochgradig verstrahlten Anlage das Menschenmögliche.

Das von Katastrophen gebeutelte Japan zittert vor dem Super-GAU: Verzweifelt kämpfen die letzten 50 Arbeiter im AKW Fukushima um den havarierten Reaktor 4. Aus Hubschraubern werfen sie Wasser ab, um die Brennstäbe zu kühlen.

In Japan werden vermehrt Radioaktivitätsmessungen durchgeführt

Die US-Regierung hat angesichts der nuklearen Katastrophe in Japan ihr Vertrauen in die Sicherheit amerikanischer Atomkraftwerke bekräftigt. Vor allem in Regionen mit hoher Erdbebengefahr sowie an den Küsten erfüllten die Meiler „höchste Sicherheitsstandards“, sagte Energieminister Steven Chu am Dienstag vor einem Kongressausschuss in Washington. Sie könnten solche Umweltkatastrophen wie in Japan aushalten.
Im Lichte des drohenden GAU im japanischen AKW Fukushima sei es jedoch notwendig, alle Sicherheitsmaßnahmen zu überprüfen. „Die Regierung verpflichtet sich dazu von Japans Erfahrungen zu lernen, um Amerikas Nuklearindustrie zu stärken“, sagte Chu. Atomstrom sei ein wichtiger Teil des Ernergiemixes. „Die Regierung glaubt, dass wir auf eine Mischung von Energiequellen setzen müssen, inklusive erneuerbare wie Wind- und Solarkraft, Naturgas, saubere Kohle und Atomenergie“, sagte er. (dpa)

In Fukushima wurde am Dienstag erstmals der innere Schutzmantel eines Reaktors getroffen, als auch Block 2 explodierte. Damit sind vier der sechs Reaktoren beschädigt. Der AKW-Betreiber Tepco sprach von einer „sehr schlimmen“ Lage und warnte vor Kernschmelzen. Die Strahlungswerte stiegen so dramatisch, dass Tepco sich gezwungen sah, alle bis auf 50 Arbeiter abzuziehen. Im Block 4 brach am Dienstag ein Feuer aus, das kurze Zeit später gelöscht wurde. In der Außenwand des Reaktorgebäudes klafften zwei acht Quadratmeter große Löcher, wie die Agentur Jiji Press berichtete.

400-fach höhere Strahlung

In einzelnen Bereichen des AKW wurden nach Unternehmensangaben 400 Millisievert gemessen – dies übersteigt den Grenzwert der Strahlenbelastung für ein Jahr um das 400-Fache, wie die Agentur Kyodo schrieb. Noch im 240 Kilometer entfernten Tokio war die Belastung laut dem Sender NHK zeitweise um das 22-Fache erhöht.

Dem Anschein nach befürchten die Fukushima-Betreiber Explosionen auch in den beiden unbeschädigten Reaktoren: Laut Internationaler Atomenergiebehörde IAEA zog Tepco in Erwägung, Platten von den Reaktoren 5 und 6 zu entfernen, um dort mögliche Wasserstoff-Staus zu verhindern.

Weiteres US-Expertenteam

Die USA schickten ein weiteres Team mit Nuklearexperten in das Land. Die neun Spezialisten sollen am Mittwoch in Tokio ankommen, wie die US-Atomregulierungsbehörde mitteilte. Sie sollen technische Hilfe anzubieten wo immer sie gefragt sei und den Kampf um eine sichere Reaktorabschaltung unterstützen.

Am Abend wurde jedoch bekannt gegeben, dass weitere Experten nach Japan geschickt würden. Insgesamt befänden sich nun 34 US-Spezialisten in Japan, sagte Energieminister Steven Chu am Dienstag vor einem Kongressausschuss in Washington. Die neue Mannschaft habe fast acht Tonnen schwere Ausrüstung im Gepäck, mit der sie die Situation beobachten und einschätzen könne.

Immer mehr Tote

Die japanischen Behörden fürchten, dass vier Tage nach dem gewaltigen Erdbeben und dem Tsunami die Zahl der Toten auf über 10.000 steigt. Die offizielle Zahl der Toten stand am Dienstag bei 3373, wie die Zeitung „Japan Times“ berichtete. Die japanische Regierung stellt in einem ersten Schritt rund 265 Millionen Euro als landesweite Notfallhilfe bereit.

Das deutsche Technische Hilfswerk (THW) brach indes seinen Einsatz in dem Katastrophengebiet ab. Rund 100 Stunden nach Beben und Tsunami gebe es praktisch keine Chancen mehr, dass es in den Katastrophengebieten noch Überlebende gebe.

Weltweiter Börsensturz

Die Atomkatastrophe löste an den Börsen weltweit Kursstürze aus: In Tokio reagierten Anleger mit Panikverkäufen auf die Eskalation des Atomunglücks – die japanische Börse erlebte ihren höchsten Kursverlust seit dem Höhepunkt der Finanzkrise vor zweieinhalb Jahren. Der Leitindex fiel zeitweise um mehr als 14 Prozent. Seit dem Erdbeben wurden bislang mehr als 700 Milliarden Dollar (530 Mrd Euro) an Werten an der Tokioter Börse vernichtet. In Deutschland stürzte der Aktienmarkt mit einem Minus von zeitweilig mehr als 5 Prozent auf den tiefsten Stand seit Oktober 2010.

In Deutschland nimmt derweil eine historische Energiewende Formen an: Die ältesten Atomkraftwerke müssen vorübergehend vom Netz. Bis Mitte Mai werden nur noch 9 von 17 Meilern Strom liefern. Mindestens fünf Kraftwerke könnten dauerhaft abgestellt werden.