/ Freimaurer-Jubiläum jenseits von Heimlichtuerei

(Tageblatt/EDITPRESS/Jean-Claude Ernst)
Das Gebäude mit der Adresse 5, rue de la Loge wirkt unscheinbar. Es fügt sich in die enge Gasse nahe des Bockfelsens, genauso wie alle anderen Gebäude hier. Eigentlich verrät das in das Pflaster eingelassene Symbol vor der Tür die Bestimmung des Hauses genau so wie das kleinere Ebenbild des Symboles über der Tür. Dennoch könnte das Gebäude unscheinbarer nicht sein.
Im Inneren sieht das Gebäude genau so aus, wie man es von den Gemäuern der Altstadt entweder gewohnt ist, oder falls nicht, doch erwarten würde. Es gibt Parkettböden, große Fenster mit schweren Vorhängen. An der Decke Stuck, der golden angemalt ist. Steinerne Treppen. Messingkronleuchter mit Glühbirnen. Es gibt Winkel und Nischen. In seiner Zeitlosigkeit entzieht sich das Gemäuer modernen Bauvorschriften.
Wenig Prunk
Der Versammlungssaal in der ersten Etage erstreckt sich von der Vorder- bis zur Rückseite des Gebäudes – ist ungewöhnlich groß, was damit zu tun hat, dass sich früher hier die Krämer getroffen und besprochen haben. Auch dieser Saal ist im Grunde nicht außergewöhnlich. Es gibt einen Kamin. Nicht viel Zierrat. Am Kopf des Raumes hängt ein Bild des Großherzogs. An den anderen Wänden hängen gerahmte, alte, prächtig vor Symbolen überlaufende Schürzen der Freimaurer. Porträts. Ein Pelikan neben einem Kreuz. Das Kreuz ist kein seltenes Symbol in diesem Raum. Die Freimaurer haben das Gebäude 1818 gekauft.
Die Gesellschaft hat die Presse geladen, weil das Freimaurertum in diesem Jahr das 300-jährige Bestehen des organisierten Freimaurertums feiert. Am Tischende sitzen vier Herren. Locker. In Anzug und Krawatte. Einer trägt Fliege. Etwas Mysteriöses gibt es nicht. Der Verein will das Programm seiner Geburtstagsfeierlichkeiten vorstellen. Das Jubiläum wird in Luxemburg und überall auf der Welt gefeiert.
Von wegen Dan-Brown-Romane
Wer sich über die Freimaurer informieren will, der wird in den kommenden Wochen und Monaten Gelegenheit dazu haben – und wahrscheinlich feststellen, dass der Verein mit den Illuminaten aus Dan-Brown-Romanen oder aus Groschenheften nicht viel gemein hat.
Eine erste Veranstaltung wird es am 29. Juni geben. Eine akademische Sitzung, zu der jeder (!) eingeladen ist. Ein Vortrag über die interessante, wenn auch sehr profane Geschichte der Freimaurer und über ihre Werte gehört zum Programm. Interessierte werden gebeten, sich über die Email-Adresse tricentenaire@gll.lu anzumelden. Der Bischof sei im Übrigen auch eingeladen, so der Großmeister, als die Diskussion mit den Pressevertretern zwangsläufig auf das mit Zeiten schwierige Verhältnis zwischen Kirche und Freimaurer zu sprechen kommt.
Interessantes Detail aus der Geschichte der Freimaurer: Zu einem nicht geringen Teil haben Armeen dabei geholfen, sie über den Planeten zu verbreiten. Großmeister Jean Schiltz schätzt, dass rund 60% der Generäle unter Napoleon Freimaurer waren. Und sie trugen auch in Luxemburg zum Wachsen der Freimaurer bei. Auch eine preußische Garnison, die in Luxemburg stationiert war, hatte ihre Loge. Selbst heute gibt es das noch. Die deutschen Soldaten in Afghanistan etwa betreiben eine Loge.
Tage der offenen Tür
Weiter wird die Loge an zwei Tagen – dem 1. und dem 2. Juli – das Tor für die Öffentlichkeit öffnen. Jeweils zwischen 14.00 und 18.00 Uhr. Eine Anmeldung hierfür ist nicht erforderlich. Am 14. Juli dann gibt es ein Benefizkonzert im Konservatorium der Stadt Luxemburg zugunsten von CHL und Ecpat. Karten hierfür können unter concertebienfaisance@gll.lu oder der Nummer 621 709 977 für 20 bzw 25 Euro gekauft werden.
Bei dieser Offenheit – und es ist nicht das erste Mal, dass eine Loge Besucher einlädt, – wie kommt es, dass die Freimaurer den Ruf eines mysteriösen Weltverschwörerbundes haben?
Großmeister Jean Schiltz meint, die Freimaurer wären daran vielleicht nicht ganz unschuldig und spricht von einer gewissen „Romantik und Heimlichtuerei“, die einigen Mitgliedern vielleicht gefallen hat. Im Grunde sei aber aller einsehbar und bekannt, was die Freimaurer tun. Sogar ein Freimaurer-Wiki gibt es. Das Einzige, was nicht nach außen kommuniziert werden könne, sei das persönliche Erlebnis, das die Mitglieder haben.
Mitglieder aller weltanschaulicher und politischer Couleur
Und darum geht es, folgt man den Erklärungen des Großmeisters. Die Freimaurer seien eine Gruppe von Menschen, die sich während der Stunden, die sie in der Loge verbringen, von der profanen Welt zurückziehen und gemeinsam Themen diskutieren, dabei viel Wert auf die Meinung des anderen legen und sich in Toleranz üben. So sei es auch möglich, dass Mitglieder aller weltanschaulicher und politischer Couleur Gedanken austauschen.
Natürlich gehört zur Loge auch der Tempel. Er befindet sich über dem Sitzungssaal und ist weniger prunkvoll gestaltet als solche, die man von Fotos kennt. Die Decke etwa ist einfarbig gestrichen und nicht prunkvoll verziert. Wertvolle Zierstücke aus der Zeit, als Freimaurer eine ausgeprägte Freude an ägyptischen Motiven entwickelt hatten, sind in der Vergangenheit Bränden zum Opfer gefallen.
Das bereits angesprochene, zeitweise schwierige Verhältnis zur Kirche sei heute übrigens gar kein Thema mehr für die Freimaurer. Ein Thema, das es im Heimatland der Freimaurer, dem anglikanischen England, sowieso nie gegeben habe. Ein Thema, das es auch in Europa lange nicht gegeben habe. Die Loge habe früher sogar den Weihnachtsgottesdienst besucht, der Kirche gespendet oder für die Kinder einiger Mitglieder gestiftet. Aus Gründen, die die Freimaurer nicht nachvollziehen könnten, habe die Kirche mit den Feindseligkeiten begonnen. Teils seien Freimaurer exkommuniziert worden. Der spätere Papst Josef Ratzinger habe erklärt, die Mitgliedschaft bei den Freimaurern und der katholische Glaube seien nicht kompatibel. Die Argumente, so Schiltz, seien „obskur“. Es ginge um die „Reinheit“, die infrage gestellt werde oder die Kirche behalte es sich vor, überhaupt keine Gründe zu nennen. Heute sei das aber wie gesagt kein Thema mehr.
Neue Mitglieder
Über Zuwachs kann sich die Loge nicht beklagen. Zehn bis zwölf neue Mitglieder kämen pro Jahr hinzu. Interessenten melden sich oft per E-Mail. Mit ihnen wird Kontakt aufgenommen, um zu sehen, ob die potenziellen neuen Freimaurer und die Bruderschaft (die Freimaurer nennen andere Freimaurer Brüder) zusammenpassen. Von den Anwärtern wird vor allem Toleranz erwartet.
Freimaurer, wenigstens diese Loge, betreiben keine aktive Politik. Ihre Mitglieder diskutieren zwar Themen und befinden sich auf der ständigen Suche nach einem Sinn des Lebens und sich selbst. Im Vordergrund steht aber die persönliche Vervollkommnung.
Den Freimaurern bleibt heute die Wahl, ob sie diese Suche nur unter Menschen ihres Geschlechtes oder in einer gemischten Loge begehen wollen. Scheinbar eine Frage des Gusto bei den Freimaurern. Eine wirklich tiefgreifende, philosophische Begründung, warum dieses scheinbar mit dem Prinzip der Gleichheit aneckende Faktum weiter besteht, gibt es heute jedenfalls nicht. Die Frage werde „im profanen Bereich“ jedoch oft gestellt.
Lesen Sie auch unseren kurzen geschichtlichen Überblick in der Tageblatt-Ausgabe vom 13. Juni (Print und E-Paper).