Flexibel bei der Berufswahl

Flexibel bei der Berufswahl
(R3886/_hilke Segbers)

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Ihren Politikern vertrauen die Isländer nicht mehr. Neuer Präsident wird deshalb wohl ein Newcomer.

Die Isländer sind ein kleines Volk. Weil die Inselrepublik im Nordatlantik nur rund 330.000 Einwohner hat, sind die Menschen bei der Jobwahl flexibel: Bei der Präsidentenwahl am 25. Juni treten unter anderem ein Lkw-Fahrer, eine Krankenpflegerin und ein Schriftsteller an. Die größten Chancen, neues Staatsoberhaupt Islands zu werden, hat der Historiker Guðni Th. Jóhannesson.

Den angesehenen Forscher kennen fast alle seiner Landsleute aus dem Fernsehen, wo er seit Jahren verlässlich die politische Lage Islands kommentiert. Seinen plötzlichen Aufstieg zum Top-Kandidaten verdankt der 47-Jährige aber vor allem den Panama Papers.

Panama-Papers und Rücktritt

Dass der Name ihres Regierungschefs Sigmundur David Gunnlaugsson im Zusammenhang mit den Enthüllungen über Briefkastenfirmen auftauchte, brachte die Isländer im April auf die Palme. Gepaart mit seinem haarsträubenden Auftritt in einer Fernsehshow ließ das für die Inselbewohner nur einen Schluss zu: Ihr Ministerpräsident hatte Dreck am Stecken. Und das, wo sich das Vertrauen der Isländer in ihren Politikbetrieb nach der Finanzkrise 2008 gerade erst erholt hatte.

Nachdem Zehntausende tagelang vor dem Parlament in Reykjavík protestiert und das Gebäude mit Eiern und Bananen beworfen hatten, trat Gunnlaugsson widerwillig zurück. „In diesen Tagen war ich oft im Fernsehen und anderen Medien, habe meine Sicht der Dinge geschildert“, erzählt Historiker Jóhannesson. „Da haben viele Leute gefühlt, dass ich der ideale Kandidat für das Präsidentenamt wäre.“

Ungewöhnliche Karrieren

Die Isländer haben Erfahrung mit ungewöhnlichen Menschen auf politischen Posten. Ende Mai 2010 holt der Komiker Jon Gunnar Kristinsson, Künstlername Jon Gnarr, bei den Wahlen zum Reykjaviker Stadtparlament auf Anhieb 35 Prozent der Stimmen und wird Bürgermeister der Hauptstadt.

Gnarr geht eine Koalition mit den Sozialdemokraten ein und machte sich an die Arbeit. Er sanierte die maroden Finanzen der Stadt, verschlankte die Verwaltung, ordnete den öffentlichen Nahverkehr neu. Heute geben sogar seine Gegner zu, dass er als Bürgermeister ein Glücksfall für die Stadt war, wie die „Welt“ schreibt.