Finanzplatz-Branding par excellence

Finanzplatz-Branding par excellence

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Der Chef der Luxemburger Finanzaufsicht steht unter Druck. Erste Rücktrittsforderungen werden laut. Die Welt blickt wieder auf unseren Finanzplatz. Und von dem leben wir alle. Auch wenn es uns nicht gefällt.

Das Land braucht den Finanzplatz dringender als der Finanzplatz das Land. Leider. Er steht für rund ein Drittel der Einnahmen hierzulande. Mit Überspitzung lassen sich Dinge manchmal greifbarer machen. Demnach: Gibt es den Finanzplatz nicht, verdienen von heute auf morgen alle Staatsbeamten ein Drittel weniger. Die Begeisterung dafür dürfte sich in Grenzen halten. Sehr, sehr viele Hauskredite können nicht mehr abbezahlt werden. Eine gerade Linie von dort in die Zombieapokalypse zu zeichnen, ist ein Leichtes.

Dann doch lieber Finanzplatzkälte. Zumindest bis etwas Vernünftigeres gefunden ist. Sicher, das macht nicht immer Spaß und Freude und schon gar nicht stolz. Man wird im Ausland auch selten angesprochen, wie toll die Leute Luxemburgs finanzakrobatische Fähigkeiten finden. Oft ist die Sachkenntnis allerdings eher begrenzt. In etwa so, wie Polen aufs Autoklauen, Italiener aufs Faulsein oder Deutsche aufs Nazisein zu reduzieren. Ich sage dann immer, dass viele Luxemburger das auch nicht so toll finden, dass es auch nicht gedacht war, um toll zu sein. Dass es aber schlau war.

Die Frage des Geldes ist eine Frage des Glaubens

Das Ausland muss das nicht einsehen. Wer das als Luxemburger nicht begreift, darf aber einmal kurz über die Grenze fahren, die Zeitreise zurück in die 1980er genießen und wieder zurückkommen. Die Richtung, in die aus dem Land gefahren wird, ist dabei fast schon einerlei.

Nun ist unsere Finanzaufsicht, genauer ihr Direktor unter Druck geraten, und mit ihm der Finanzminister. Die Süddeutsche Zeitung hat aufgedeckt, wie sehr Claude Marx, als er der CSSF noch nicht vorstand und bei der Privatbank HSBC arbeitete, die Vorzüge von Offshore-Geschäften zu schätzen wusste. Für die Branche hierzulande war das alles andere als ein Scoop. Dort wusste und weiß jeder: Der Mann glaubt ideologisch daran. Offshore-Marx demnach. Und das Finanzministerium weiß das nicht? Natürlich wusste man das auch dort. Dann wird halt auf Wörtern rumgespielt. Er war an diesem Business nicht „aktiv“ beteiligt. Kann alles heißen, heißt aber nichts.

Die nächste semantische Zwickmühle

Womit wir bei der nächsten semantischen Zwickmühle sind. Die CSSF ist unsere Finanzaufsichtsbehörde, unsere „Commission de surveillance du secteur financier“. Aufsicht. Behörde. Kommission. Überwachung. Das liest sich alles hoch und heilig, führt aber auf die falsche Spur. Die CSSF ist keine Instanz, die auf moralischen Grundsätzen entscheidet. Sollte sie auch nie sein. Also sehen wir sie besser auch nicht als solche.

Die CSSF muss schauen, dass möglichst viele Player möglichst viel Game in Luxemburg machen und dass das alles möglichst legal ist. Sie entscheidet, wer in Luxemburg mitspielen darf. Das Spiel wiederum basiert darauf, möglichst viele Mitspieler zu haben. Was nicht passend ist, wird passend gemacht, mit Hilfe der CSSF. Das ist nicht böse, auch nicht hinterhältig, das ist schlichtweg ihre Aufgabe. „Commission de bienveillance du secteur financier“ wäre wohl die ehrlichere Bezeichnung. Finanziert wird die CSSF übrigens von den hier niedergelassenen Finanzinstituten.

Altherrengeld, aber keine Altherrendelikte

Gegen Offshore-Marx werden nun erste Rücktrittsforderungen laut. Als wenn ein eventueller Nachfolger in irgendeiner Weise „reiner“ sein würde. Nicht, dass uns der Mann besonders sympathisch wäre, vor allem nicht, nachdem er offenkundig die Kollegen vom Lëtzebuerger Land angelogen hat. Was nicht lange her ist und sich für einen Finanzmenschen mit staatlichem Auftrag nun wirklich nicht gehört und schwerer wiegt als sein Geschäftsgebaren in den 1990ern, wo – lassen wir mal die Bank auf dem Kirchberg – das gepflegte Jonglieren im grenzlegalen Raum zum guten Ton gehörte (was es übrigens wohl leider immer noch tut).

Die Krux mit diesen Offshore-Firmen ist ja, dass sich damit völlig Legales bewerkstelligen lässt. Dass damit aber auch Steuern hinterzogen werden können, was ja dann nicht mehr legal ist. Am Schlimmsten ist aber, dass sich damit wunderbar leicht Geld weißwaschen lässt. Das ist dann nicht mehr nur illegal. Da bewegen wir uns in den wirklich dreckigen Ecken dieser Welt. Da geht es um Terrorismus, um Menschenhandel, um Drogengeschäfte.

Das mit der Reputation ist so eine Sache

Andersrum formuliert: Wo viel, viel Altherrengeld gebunkert wird, gibt es viel, viel organisierte Kriminalität von der übelsten, menschenverachtendsten Sorte. Altherrendelikte sind das beileibe keine. Offshore-Marx und die anderen – unter anderem unser aktueller Staatssekretär für Kultur – tummelten sich also in einem Becken voller trübstem Wasser, das kaum einen Durchblick erlaubt. So viel zur Transparenz. Dass nun kaum einer der Banker, Geschäftsanwälte und Ruling-Athleten vor der Kommission des Europäischen Parlamentes zu den Panama Papers aussagen will, entbehrt nicht einer gewissen Logik.

Die Europapolitiker können niemanden zur Aussage zwingen. Dazu fehlt ihnen die Befugnis. Die einzige Karte, die sie spielen können, ist die der Moral und damit die der Reputation. Sagen die Herrschaften nicht aus, schadet das dem Ruf des Landes, so die Hoffnung. Ich fürchte, die erfüllt sich nicht. Was die LuxLeaks-Affäre schon zeigte, wird sich nun wiederholen.

Spätetens seit LuxLeaks weiß jeder, was hier geht

LuxLeaks nutzte, nach einem ersten strammen Sturm, der Reputation. Nicht der des Landes. Aber der des Finanzplatzes. Nun war auch bis in den hintersten Winkel der Welt offenkundig, was für Möglichkeiten hier geboten werden. In dieselbe Kerbe haut die nun mit teilweise schrecklich selbstverständlicher Nonchalance zur Schau gestellte Verschwiegenheit unserer Offshore-Freunde. Das ist, ob es gefällt oder nicht, Finanzplatz-Branding par excellence.