„Facebook-Mord“: Ein Jahr Gefängnis

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Klatsch auf Facebook ist einem Mädchen in den Niederlanden zum tödlichen Verhängnis geworden. Dafür wurde jetzt der 15 Jahre alte Auftragsmörder verurteilt - zu lasch, wie viele finden.

Der Vater kann es nicht fassen. „Ich habe meine Tochter verloren“, sagte Chun Nam Hau am Montag in Arnheim. „Und er bekommt ein Jahr Gefängnis.“ Ein Jahr Jugendgefängnis und drei Jahre Zwangstherapie ist das Urteil für den Jungen, der Chun Nam Haus 15-jährige Tochter ermordet hat und ihn selber schwer verletzte. Winsie wurde getötet, weil sie Klatsch auf Facebook verbreitet hatte. Zwei andere Jugendliche wollten sich dafür rächen und hatten den Jungen mit dem Mord beauftragt.

Für viele Niederländer ist die Strafe im sogenannten Facebook-Mord unerträglich niedrig. Doch das Jugendgericht in Arnheim verhängte am Montag die höchstmögliche Strafe für einen Minderjährigen für Mord und versuchten Totschlag. Zum Zeitpunkt der Tat war er erst 14 Jahre alt. Chun Nam Hau appellierte an die Politik, das Strafrecht für Jugendliche zu verschärfen.

Täter gestand die Tat

„Für diese Taten verdienst du die höchste Strafe“, sagte die Jugendrichterin Wendy Vierveijzer. Der kräftige Junge zeigte keinerlei Regung. Er hatte die Tat gestanden, doch während des Prozesses kaum ein weiteres Wort gesagt.

Der Fall wird in den Niederlanden der „Facebook-Mord“ genannt. Denn angefangen hatte alles mit Klatsch in dem sozialen Netzwerk. So hatte die Staatsanwaltschaft den Tathergang geschildert. Die 15-jährige Winsie soll auf Facebook verbreitet haben, dass ihre einst beste Freundin Polly Sex mit mehreren Jungen hatte. Dafür wollte sich Polly rächen. Wochenlang habe sie mit ihrem Freund ein Mordkomplott geschmiedet und dem Täter zwischen 20 und 100 Euro bezahlt.

In Hals und Gesicht eingestochen

Am 14. Januar stach er im Eingang von Winsies Elternhaus in Arnheim auf das Mädchen ein. „Ganz bewusst in Hals und Gesicht“, sagte die Richterin. Vorher soll er noch gerufen haben: „Sorry, ich muss das tun.“ Der Vater wurde beim Versuch, seiner Tochter zu helfen, mit dem Messer an Hand und Hals verletzt. Winsie starb fünf Tage später im Krankenhaus.

Der Junge hatte den Mord vorbereitet, den Tatort ausgekundschaftet, die Tat angekündigt. „Du hattest mehrfach die Möglichkeit, es nicht zu tun“, sagte die Richterin. „Doch du hast dich entschieden, du wolltest Winsie und ihren Vater töten.“

Nach dem Urteil bleiben viele Fragen offen. Was trieb den bereits zweifach vorbestraften Jungen zu der Tat? Er kannte Winsie gar nicht. Wollte er dazugehören, wie die Staatsanwältin Josan Schram sagte. Oder wurde er von den Anstiftern unter Druck gesetzt, wie seine Verteidiger meinten?

Psychische Störungen

Das ließ die Richterin nicht gelten und zitierte die Gutachter. „Du hast soziale und psychische Störungen“, sagte Richterin Vierveijzer. „Dafür musst du behandelt werden.“ Drei Jahre Therapie in einer Anstalt für jugendliche Straftäter. Das könnte auch verlängert werden. Viele Fragen werden vermutlich erst im Oktober beantwortet: Dann stehen die beiden mutmaßlichen Anstifter vor Gericht.

Der Fall hat „die Stadt und das Land zutiefst geschockt“, sagte die Richterin. Der Vater des ermordeten Mädchens hofft nun, dass dieser Schock andere Eltern aufrüttelt. „Die Gefahren durchs Chatten und soziale Medien werden unterschätzt“, sagte er.

Im echten Leben wird mehr gemobbt

Doch hier stand nicht Facebook vor Gericht, meinte Remco Pijpers, der Direktor der Stiftung „Mein Kind online“ (Mijn kind online), die Eltern bei der Internetnutzung ihrer Kinder berät. Er glaubt, im echten Leben werde viel mehr gemobbt als im Internet und bei Facebook. Doch dürfe man offensichtlich Online-Beleidigungen, „bei denen man plötzlich vor hunderten Facebook-Freunden blamiert“ ist, nicht unterschätzen. Sie könnten reale Folgen haben.

Viele niederländische Eltern fühlen sich nach diesem Fall hilflos. „Ich weiß auch nicht, was meine Kinder so alles am Computer tun“, sagte ein Vater aus Amsterdam. „Das macht mir Angst.“