„Europa braucht Schuldenschnitte“

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Willem Buiter ist Chefvolkswirt der US-Großbank Citi. Er bestreite es zwar, doch die Worte des Niederländers können Märkte beeinflussen. Im Tageblatt-Interview spricht er über Trump und Handelskriege, die Heuchelei der Schuldner und die Misere der Banken in Europa.

Willem Buiter benennt im Tageblatt-Interview das größte Risiko für die Weltwirtschaft ganz klar: Handelskriege – „und die Gefahr, dass wir da einfach hineinrutschen“. US-Präsident Trump habe „einen eher ungewöhnlichen Verhandlungsstil“. In einigen Ländern „mag das gut funktionieren“, sagt Buiter, „in solchen, die mehr auf Werte wie Respekt oder Ehre setzen, könnte das zu Missverständnissen führen“.

230.000 Mitarbeiter
Die Citibank gehört zur Citigroup, einem der vier größten Finanzdienstleister der USA. Die Bank wurde im Jahr 1812 als City Bank in New York gegründet. In der Folge spielte die Bank in der Weltwirtschaft eine besondere Rolle.

1858 gründete die Citibank das Unternehmen „New York, Newfoundland and London Telegraph Company“. Acht Jahre später gelang es dem Unternehmen, das erste transatlantische Kabel zu legen und eine Telegrafenverbindung zwischen Amerika und Europa sicherzustellen.

Auf den Wunsch von Teddy Roosevelt half die Citibank im Jahr 1904 den Panamakanal zu finanzieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die Citibank beim Marshallplan eine prominente Rolle.

Der erste Geldautomat, der rund um die Uhr zugänglich war, wurde im Jahr 1977 von der Citibank installiert. Auch die Finanzierung des Space-Shuttle-Programms des Jahres 1995 wurde von dieser Bank sichergestellt. Seit dem Jahr 1970 ist die Citibank auch in Luxemburg vertreten.

Die Citigroup gehört heute zu den weltweit 20 größten Finanzdienstleistern und verfügt über ein internationales Filialnetz. Mehr als 200 Millionen Privat- und Geschäftskunden, institutionelle Klienten und Regierungen nutzen, laut eigenen Angaben, die in 160 Ländern angebotenen Dienstleitungen. Weltweit zählt das Finanzinstitut mehr als 230.000 Mitarbeiter.

Der Chefvolkswirt der US-Großbank Citi hatte vor den US-Wahlen davor gewarnt, dass ein Präsident Donald Trump schlecht für die Weltwirtschaft wäre. Nun ist Trump gewählt – und die Börsen boomen. Wirklich überrascht ist Buiter davon nicht. Zum Teil seien es „die Märkte, die von übertriebenem Pessimismus hin zu zu viel Optimismus umgeschwenkt sind“. Sie würden kurzfristig denken und „die längerfristigen Risiken, etwa höhere Schulden, Handelskriege und eine wachsende Verschmutzung der Umwelt“ noch nicht sehen.

„Von einer Kleinkrise hin zur nächsten“

Auch dafür, dass die USA die Finanzkrise von 2008 besser überwunden haben als die Eurozone, kann der Niederländer Gründe nennen. Vor allem seien die USA „frontal gegen die Probleme im Bankensektor vorgegangen“. Die Banken in den USA „wurden gezwungen, sich zu rekapitalisieren. In Europa hingegen haben die Banken – auch heute – immer noch zu wenig Kapital“. Europa mache es „stückchenweise, von einer Kleinkrise hin zur nächsten“.

Und es seien nicht nur die italienischen Banken, die mit Problemen zu kämpfen haben. Auch Finanzinstitute in vielen anderen Ländern, etwa Deutschland oder Österreich, bezeichnet Buiter als „potenzielle Wackelkandidaten“. Was Frankreich angeht, fällt das Urteil des Ökonomen noch düsterer aus. Da wisse keiner, wie es um die Banken steht – „da herrscht Intransparenz“.

Europas Zombie-Banken

Insgesamt habe „Europa einen nicht profitablen Bankensektor“. Und „eine ganze Reihe Zombie-Banken, die künstlich am Leben gehalten werden, aber eigentlich pleite sein müssten“. Allgemein findet Buiter, dass in der Eurozone mehr Staatsausgaben angemessen gewesen wären. Europa aber täusche sich selbst. Das verhindere eine „sinnvolle Debatte“ in der Eurozone.

Im Gegensatz zu den USA hätte Europa Schulden aus der Privatwirtschaft in den Staatssektor übertragen. Was zu einem Problem führt. Denn jetzt, so Buiter, bräuchten einige Staaten wie Italien, Griechenland, Portugal und andere Schuldenschnitte. „Das ist aber von niemandem gewünscht“, weiß Buiter. Zudem gebe es „keine Werkzeuge, die die Durchführung von Staats-Schuldenschnitten regeln würden“. Was dazu führe, dass wir „heute in fast jedem Sektor den Preis von zu viel Schulden zahlen“.

Für den Geldgeber sind Schulden gut

Buiter erinnert daran, dass bei der ganzen Sache eines nicht vergessen werden dürfe, nämlich „dass es mit jedem Schuldner auch einen Geldgeber gibt“. Das seien „zwei Seiten der gleichen Münze“. Man könne nicht sagen, „dass Schulden schlecht sind, wenn sie gut für den Geldgeber sind“. In Deutschland und den Niederlanden beispielsweise werde „zu wenig investiert und zu viel gespart“.

Ob er keine Angst habe, dass eine solche Politik das Vertrauen in die Währungen zerstören könnte? „Nein, warum?“, wundert sich der Ökonom, „die Regierung verkauft ihre Schuldscheine an die Zentralbank. Also existieren die Schulden nicht. Die Zentralbank gehört dem Staat.“ Das Einzige, was steige, sei die geschuldete Buchgeldsumme. Wenn das zu mehr Inflation führe, „dann ist das ganz in Ordnung“.

Das ganze Interview finden Sie in der Donnerstagausgabe des Tageblatt