EU-Gipfel sucht Strategie

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Nach den jüngsten Tragödien im Mittelmeer haben die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel nach einer gemeinsamen Strategie in der Flüchtlingskrise gesucht.

Mit einer Schweigeminute zum Gedenken an die vielen hundert im Mittelmeer ums Leben gekommenen Flüchtlinge hat in Brüssel ein EU-Sondergipfel begonnen. Die Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Treffen am Donnerstag unter anderem eine Verstärkung der Kapazitäten zur Seenotrettung sowie Maßnahmen gegen illegale Schlepperbanden beraten. Der Sondergipfel war nach dem Tod von mindestens 800 Flüchtlingen vor der libyschen Küste am Wochenende einberufen worden.

Die EU will unter anderem die Seenotrettung ausweiten und militärisch gegen Schlepper vorgehen. Mehrere Vorschläge waren zu Gipfelbeginn aber noch umstritten. Die EU-Staaten müssten in der Flüchtlingsfrage bereit sein, „nationale Interessen für das Allgemeinwohl zu opfern“, verlangte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er sei sicher, dass sich die Gipfelteilnehmer auf ein gemeinsames Handeln einigen würden. „Niemand macht sich aber Illusionen, dass wir das Problem heute lösen können“, sagte der Pole. Denn die Ursachen für Flucht und Vertreibung seien Krieg, Armut und Instabilität in Afrika.

1750 Tote seit Januar

Im Mittelmeer sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) dieses Jahr bereits mehr als 1750 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Das Sondertreffen der Staats- und Regierungschefs war angesetzt worden, nachdem in der Nacht zum Sonntag vor der Küste Libyens allein rund 800 Flüchtlinge ertrunken waren. Kurz vor dem Gipfel demonstrierten mehr als tausend Menschen in Brüssel gegen die bisherige EU-Flüchtlingspolitik. Bei dem von Amnesty International und anderen Organisationen organisierten „Begräbnis-Marsch“ trugen Teilnehmer drei Särge, um auf die Toten im Mittelmeer aufmerksam zu machen. Laut dem Entwurf für die Gipfelerklärung sollen die Finanzmittel für die EU-Mittelmeermissionen „Triton“ vor Italien und „Poseidon“ vor Griechenland nun mindestens verdoppelt werden, um eine verbesserte Seenotrettung zu ermöglichen.

Das Einsatzgebiet von „Triton“ wird demnach aber nicht bis vor die Küste Libyens ausgedehnt, von wo aus die meisten Flüchtlinge sich auf den Weg nach Europa machen. Der britische Premier David Cameron kündigte an, das Marine-Landungsschiff „HMS Bulwark“ zusammen mit drei Hubschraubern und zwei Patrouillenbooten ins Mittelmeer zu schicken. Aufgenommene Flüchtlinge würden dann aber nicht nach Großbritannien gebracht, sondern „in das nächstgelegene sichere Land, höchstwahrscheinlich Italien“.

Mehr Präsenz Europas im Mittelmeer

Auch Frankreichs Präsident François Hollande kündigte eine Beteiligung an einer „beträchtlichen Stärkung“ der Präsenz Europas im Mittelmeer an. In Berlin wird diskutiert, drei Schiffe des Einsatz- und Ausbildungsverbands der Marine für die Seenotrettung zur Verfügung zu stellen. Parallel zur Ausweitung der Seenotrettung wollen die Europäer „systematische Anstrengungen“ unternehmen, um die Schlepper-Boote vor ihrem Einsatz „zu identifizieren, aufzubringen und zu zerstören“, wie es im Gipfelentwurf heißt.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wird demnach damit beauftragt, „mit Vorbereitungen für eine mögliche Sicherheits- und Verteidigungsoperation zu beginnen“. Von der Entsendung von Bodentruppen nach Libyen sei nicht die Rede, hieß es in EU-Kreisen. Ob ein UN-Mandat notwendig ist, hängt den Angaben zufolge vom Umfang der Mission ab. Außerdem will der Gipfel den EU-Mitgliedstaaten vorgeschlagen, mindestens 5000 Menschen mit Flüchtlingsstatus aufzunehmen – insbesondere aus Lagern rund um Syrien. Der Vorschlag stößt aber insbesondere bei den Staaten auf wenig Begeisterung, die bisher kaum Flüchtlinge aufnehmen. Gleichzeitig sollen Asylverfahren und die Abschiebung von abgelehnten Bewerbern beschleunigt und Nachbarländer Libyens bei der Grenzsicherung unterstützt werden.