Etatstreit und die möglichen Folgen

Etatstreit und die möglichen Folgen
(AP)

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Im Haushaltsstreit gibt es keinerlei Bewegung - und mit jedem Tag scheint ein Ausweg nur noch schwieriger zu werden. Das sind die möglichen Szenarien.

Der Shutdown der US-Regierung geht am Dienstag in die zweite Woche, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Auch im Tauziehen um eine Erhöhung des Schuldenlimits sind die Fronten starr. Es gibt einige mögliche Szenarien für die Entwicklung in den kommenden Tagen, aber in allen Fällen müssten hohe Hürden beseitigt werden:

Boehner lenkt ein
Der republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner, könnte versuchen, Gesetze für einen Übergangshaushalt und zur Anhebung des Schuldenlimits – mit kleinen oder auch keinen Konzessionen der Demokraten – in der Kongresskammer durchzubringen. Er müsste dazu in Kauf nehmen, dass er viele Konservative in seiner 232-köpfigen Fraktion verärgert und wäre stark von demokratischen Stimmen abhängig.

Einen solchen Schritt hat Boehner Anfang des Jahres getan, um massive Steuererhöhungen für die Mittelschicht zu verhindern und den Opfern des Monstersturmes „Sandy“ finanzielle Hilfen zukommen zu lassen. Die meisten republikanischen Abgeordneten stimmten gegen beide Massnahmen.

Würde jedoch Boehner eine so umstrittene Massnahme wie die Erhöhung der Schuldenobergrenze auf diese Weise durchsetzen, bekäme er es mit einer Revolte in den eigenen Reihen zu tun. Das könnte ihn den Posten als Präsident des Abgeordnetenhauses kosten. Viele Demokraten meinen, dass es der richtige Schritte wäre. Dazu gehört der Abgeordnete Chris Van Hollen, der meint, Boehner „wird sich dazu entschliessen müssen, einem rücksichtslosen Teil seiner Partei um des Wohls des Landes willen die Stirn zu bieten. Das ist schlicht der Weg, wie dies endet.“

Boehner selbst sagte am Sonntag in einem Fernsehinterview, dass er im Abgeordnetenhaus weder die nötigen Stimmen für einen Dringlichkeitshaushalt noch für eine Anhebung des Schuldenlimits habe – sofern die Massnahmen nicht mit Konzessionen von Präsident Barack Obama verknüpft würden.

Beide Seiten geben etwas nach
Die Demokraten könnten ein paar Zugeständnisse machen, um Boehner zu helfen, eine knappe Mehrheit seiner Republikaner im Abgeordnetenhaus für sich zu gewinnen. Zum Beispiel könnten sie eine Steuer auf medizinische Geräte streichen, die zur Mitfinanzierung von Obamas Gesundheitsreform dienen soll und an der sich die Republikaner stossen. Eine Möglichkeit wäre auch, grünes Licht zu geben für eine umstrittene Ölpipeline quer durch das Land von Kanada zum Golf von Mexiko.

Doch Obama hat immer wieder betont, dass er sich nicht erpressen lassen werde und weder über den Haushalt noch über das Schuldenlimit verhandeln werde. Zugeständnisse würden dieser Linie widersprechen – ganz abgesehen davon, dass es völlig unklar ist, ob solche begrenzten Konzessionen genügend Republikaner zum Einlenken bringen könnten.

So sagt etwa der Abgeordnete Tom Cole, dass seine republikanischen Kollegen eine Zustimmung zur Anhebung der Schuldengrenze von tieferen Einschnitten bei den Ausgaben und anderen Konzessionen abhängig machen würden. Die Republikaner müssten ihr Votum schliesslich vor ihrer Wählerbasis verantworten: „Man kann sie nicht einfach fragen, ihr politisches Leben für nichts zu riskieren.“

Der grosse Deal
Der politische Stillstand in Washington hat einen möglichen überparteilichen Deal, eine Übereinkunft über ein Bündel von grösseren Haushaltsfragen, wieder ins Gespräch gebracht. Dazu müssten Republikaner höheren Steuern für die Reichen zustimmen, was sie vehement ablehnen. Die Demokraten wiederum müssten Einsparungen bei den Renten und bei Medicare, der Krankenversicherung für Senioren, akzeptieren. Das ist bisher für viele Demokraten tabu.

Obama und Boehner hatten bereits 2011 und dann erneut im Dezember vergangenen Jahres versucht, einen solchen „grand bargain“ (grosse Abmachung oder grosser Handel) zu erreichen – beide Male vergeblich. Führende Politiker beider Parteien sagen, dass die Probleme, die damals eine Einigung verhinderten, weiter bestünden. Es sei nahezu unmöglich, sie vor dem 17. Oktober zu lösen. Spätestens bis dahin muss das Schuldenlimit angehoben werden, sonst rutschen die USA in die Zahlungsunfähigkeit ab.

Obama sagte der Nachrichtenagentur AP am Freitag in einem Interview, er sei zu Verhandlungen mit den Republikanern über Fragen der Gesundheitsreform, über Einsparungen und den Defizitabbau bereit. Aber nur dann, wenn Boehner zuerst im Abgeordnetenhaus über einen Übergangshaushalt und eine Anhebung des Schuldenlimits ohne irgendwelche Bedingungen abstimmen lässt.

Der republikanische Parlamentarier Mick Mulvaney quittierte das mit einem lauten Lachen. „Wenn sie (die Demokraten) sich bei ihrer Entscheidung, sich zu bewegen oder nicht, von politischen Erwägungen leiten lassen, und wir uns von Prinzipien, wird es sehr schwierig sein, einen Weg hieraus zu finden.“

Obama lenkt ein
Viele republikanische Abgeordneten sagen voraus, dass der Präsident einlenken wird, um eine Zahlungsunfähigkeit der USA zu verhindern. Sie verweisen auf vergangene Konzessionen, etwa als es Ende vergangenen Jahres darum ging, Steuererhöhungen für die Mittelschicht abzuwenden. Um das zu erreichen, milderte Obama seine Forderung nach höheren Abgaben für die Reicheren ab.

Demokraten glauben indessen, dass Obama diesmal nicht nachgeben wird. Der Präsident werde die Zuverlässigkeit und Kreditwürdigkeit der USA nicht zum Verhandlungsgegenstand machen, sagt etwa der Abgeordnete David Price.

Die USA werden zahlungsunfähig
Beharren beide Seiten auf ihren Positionen, scheint das unausweichlich. Die wirtschaftlichen Folgen und die Reaktion der Öffentlichkeit könnten dann den Kongress vielleicht dazu bringen, das Schuldenlimit in aller Eile anzuheben und wieder damit anzufangen, die Rechnungen zu bezahlen.